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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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und erst die Sozi! Die brauchen wir überhaupt wie einen Kropf. Zuerst groß das Maul aufreißen, aber dann, wenn’s drauf ankommt, kuschen. Nein, das ist nicht meine Zeit. Meine Zeit ist mitFranz Joseph, Gott hab ihn selig, ins Grab gesunken. Viribus unitis hat’s damals geheißen. Jetzt sind wir schon seit über acht Jahren nicht mehr vereint – und Kraft haben wir auch keine mehr.“ Aibler hustete neuerlich. „Keine Kraft mehr“, flüsterte er dann.
    „Das ist sicherlich alles sehr interessant, Herr Aibler, aber könnten wir zum eigentlichen Grund meines Besuchs zurückkommen? Wie kam es zum Verkauf an Guschlbauer?“
    „Wissen Sie, eigentlich bin ich schon lange ein toter Mann. Dabei konnte man mich einmal glücklich nennen. Ich hatte eine liebevolle und aufopfernde Ehefrau und einen vielversprechenden Sohn. Und mein Geschäft ging gut. Klar, ich besaß es schon in der dritten Generation, es war hervorragend eingeführt. Mein Großvater bediente seine Kundschaft schon, da waren das Rathaus und das Parlament noch riesige Baustellen. Und mein Vater hat unseren Namen zu einem Begriff gemacht. Als er dann viel zu früh gestorben ist, habe ich das Geschäft übernommen. Gerade zum 50. Thronjubiläum unseres geliebten Kaisers war das. Was hat sich der Papa gefreut damals. Und wie sehr hat er geweint, als die Kaiserin, Gott hab sie selig, erstochen wurde. Auch in Genf übrigens. Von dort ist noch nie was Gutes gekommen für uns Österreicher. Und es war so, als wollte er das goldene Jubiläum des Kaisers noch miterleben, und dann, kurz nach Neujahr, hat er sich hingelegt, hat die Augen zugemacht und ist gestorben.“
    Bronstein räusperte sich vernehmlich.
    „Na ja, ich hab dann zwanzig Jahre weitergemacht. Selbst der Krieg hat mich nicht sonderlich getroffen, auch wenn mein Sohn im 17er Jahr einrücken musste. Isonzo und so. Im Mai 18 ist er verwundet worden, einen Monat später kam er nach Hause. Er hatte noch ein steifes Bein, aber das würde vergehen, hat es geheißen. Ich war überzeugt, er würde dereinst die vierte Generation der Aiblers werden, würde mich zum stolzenGroßvater machen und mir den Lebensabend erträglich gestalten. Und dann kam diese vermaledeite demokratische Revolution. Ende Oktober 18 ist meine Frau an der Spanischen Grippe erkrankt. Sie war noch keine fünfzig. Sie hat sich so gequält, und am 12. November ist sie gestorben. Diese Trottel da vor dem Parlament, die haben gefeiert, während meine Frau ihren letzten Seufzer tat, können Sie sich das vorstellen? Feiern da, obwohl ein Mensch stirbt.“
    Bronstein wusste nicht, wie er dem Mann Einhalt gebieten konnte, und kämpfte gegen seine wachsende Ungeduld an. Aibler fiel das nicht weiter auf, er redete einfach weiter. „Und mein Sohn, der war auch so ein demokratischer Trottel, meinte, jetzt würde alles besser, wir würden in eine neue Zeit aufbrechen. So ein Schwachsinn! Ganz begeistert war er von der Republik, ging zu jedem Aufmarsch. Und dann, im Juni 19, haben sie ihn mir erschossen. Ein paar Tage nach seinem zwanzigsten Geburtstag. Einfach erschossen. Irgendwelche Sozis haben da einen Aufstand gemacht, und ihr Polizisten habt in die Menge geballert. Und wen habt ihr getroffen? Die Umstürzler vielleicht? Nein, meinen Sohn. Meinen Sohn!“
    Der hasserfüllte Blick des Greißlers ließ in Bronstein Unwohlsein aufsteigen. Für einen Moment dachte er, der alte Mann würde auf ihn losgehen. Doch ebenso schnell, wie er laut geworden war, sackte er auch wieder in sich zusammen. Einige Augenblicke schwieg Aibler und hing seinen Gedanken nach. Bronstein hielt es für das Beste, vorerst nichts zu sagen und abzuwarten, und in der Tat griff Aibler dann wieder den Faden seiner Erzählung auf.
    „Eigentlich war ich ab diesem Zeitpunkt tot. Und die Inflation hat mir den Rest gegeben. Ich wartete nur noch darauf, den Laden ohne größeren Verlust verkaufen zu können. Und just da kam dieser Guschlbauer des Wegs. Sagte, er wolle sich selbständig machen, sein eigener Herr sein. Tja, sagte ich, ich wolltegenau das nicht mehr sein, wollte das alles hinter mir lassen. Und da fragte er mich, wie viel der Laden kosten solle. Und ich nannte ihm einen unverschämt hohen Preis, weil ich mir dachte, ein Fleischergeselle kann sich ohnehin keinen Laden leisten. Nicht in unseren Tagen. Er hat kein Wort mehr gesagt und ist gegangen. Aber am nächsten Morgen ist er wiedergekommen und hat mir die genannte Summe auf die Budel gelegt. Bar. Hat einen Schein

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