Ezzes
Schutzbündler, hieß es da. Dementsprechend rasch überflog er, während er seine Semmel aß, die Aussagen der beteiligten Roten und begann erst auf der übernächsten Seite genauer zu lesen, da dort der Kollege von der Schattendorfer Exekutive zu Wort kam.
Endlich kam, fand Bronstein, Sachlichkeit in die ganze Angelegenheit. Der Beamte berichtete, dass ihm gesagt worden sei, aus dem Gasthaus der Frontkämpfer seien Schüsse abgegeben worden, weshalb er sich selbst dorthin begeben habe, um die erforderliche Amtshandlung vorzunehmen. Als er die Umstehenden von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt hatte, seien diese ohne weitere Manifestation friedlich abgezogen, nahm der Gendarm die Roten in Schutz. Auch der Vorwurf der Rechten, sie seien von Schutzbündlern verprügelt worden, habe sich als haltlos erwiesen, wie er generell den Eindruck gehabt habe, diese Behauptung sei zuvor als Schutzbehauptung abgesprochen worden. Zudem habe seine Untersuchung ergeben, fuhr der Beamte fort, dass es seitens der Schutzbündler keinerlei Aggression wider das Gasthaus der Frontkämpfer gegeben habe, während es evident sei, dass die Frontkämpfer Schüsse auf ihre Gegner abgegeben hatten. Nach der Einvernahme des Gendarmeriekommandanten sei, so schloss der Bericht, die Verhandlung auf Montag, 9 Uhr, vertagt worden.
Bronstein atmete durch. Allmählich kam für ihn Licht in die Sache. Die Sozis hatten sich tatsächlich nichts zuschulden kommen lassen, das schien ihm mittlerweile klar. Es mochte sein, dass sich die Frontkämpfer wirklich bedroht gefühlt hatten, ehe sie das Feuer auf die Demonstranten eröffneten. Doch dieses Gefühl war keineswegs ausreichend, um sich auf Notwehr berufen zu können, zumal die Schüsse ja offenkundiggezielt in die Menge abgegeben worden waren, wodurch die Schützen den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf genommen hatten. Damit allein schon war für ihn der Tatbestand gemäß Paragraph 87 erfüllt, und der Schuldspruch gegen die Schützen konnte die einzig logische Konsequenz sein. Eventuell müsste man, dachte Bronstein weiter, in einem zweiten Prozess klären, wer die tödlichen Schüsse abgegeben hatte, um sodann jemanden wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, doch dieser Prozess konnte gar nicht anders als mit einem Schuldspruch enden, dessen war sich Bronstein nach Kenntnis des bisherigen Verhandlungsverlaufs sicher.
Zufrieden mit seinen Überlegungen, widmete er sich nunmehr erneut dem Frühstück. Er trank eine weitere Tasse Kaffee und zündete sich eine Zigarette dazu an. Er blickte aus dem Fenster und überprüfte, ob das Wetter immer noch so einladend war wie am frühen Morgen. Es lud in der Tat zu einer kleinen Wanderung ein, und so traf er, kaum dass er sich wieder auf seinem Zimmer befand, alle nötigen Vorkehrungen, um schließlich, wenige Minuten nach neun Uhr morgens, vor dem Hotel zu stehen. Er schlug den Weg nach links ein und marschierte eine kleine Strecke die Straße entlang, ehe er einen markierten Waldweg nahm, der ihn alsbald weit weg von jeder Zivilisation führte.
Es tat ungemein gut, fernab jeder dienstlichen Verpflichtung einfach nur den Duft der Blätter einzusaugen und sich am Prozess des Gehens zu erfreuen, fand er. Hie und da blieb er stehen und lauschte den Geräuschen des Waldes. Als er einen Kuckuck hörte, griff er instinktiv nach seiner Geldbörse und schüttelte sie kräftig. Er lachte über seine Verbeugung vor völkischem Aberglauben und schritt dann munter weiter aus.
Nach einer Dreiviertelstunde kam er an eine Lichtung, von der aus er neuerlich einen überwältigenden Blick über die Landschaft hatte. Er fand einen Baumstrunk, auf dem er sich niederließ. Dort nahm er einen Schluck aus seinem Flachmann,in den er etwas Wasser gefüllt hatte, und zündete sich eine Zigarette an, die er, während er einfach nur auf die Täler sah, gemütlich rauchte.
Am anderen Ende der Lichtung fiel ihm ein kleiner Wegweiser auf, dem er entnahm, dass er, würde er die gewiesene Richtung einschlagen, in einer Stunde ein Rasthaus erreichen würde. Ein Blick auf seine Uhr überzeugte ihn davon, dass dies gerade der richtige Zeitpunkt für ein Mittagessen sein würde, und so nahm er die Route frohgemut in Angriff. Als er die Hütte vor sich auf einer Kuppe liegen sah, fiel ihm auf, dass es ihm tatsächlich gelungen war, den ganzen Vormittag über kein einziges Mal an den Fall Guschlbauer zu denken. Was für eine Wohltat!
Rundum zufrieden orderte er ein Krügel Bier und eine
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