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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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hat sich doch nichts geändert. Der einzige Unterschied zu damals besteht darin, dass die Bourgeoisie heute ihre Herrschaft besser tarnt. Sie vermittelt dem Volk den Eindruck, es habe heute eine Mitsprachemöglichkeit, könne darüber entscheiden, welchen Weg die Politik einschlägt. Doch in Wirklichkeit sind die demokratischen Wahlen ein einziger Schwindel, denn die herrschende Klasse sorgt dafür, dass in jedem Fall alles beim Alten bleibt. Die vermeintliche Wahlmöglichkeit ist also eine bewusste Lüge, um die ausgebeuteten Massen ruhig zu halten. Naturgemäß gilt dies auch für die mannigfachen Wahlversprechen vor einem Urnengang. Ich bin der festen Überzeugung, dass nirgendwo so viel gelogen wird wie in der bürgerlichen Demokratie.“
    „Aber mein Schatz, jetzt übertreibst du aber.“
    „Eher im Gegenteil, lieber Herr Papa, eher im Gegenteil. Was haben uns die demokratischen Politiker seit 1918 nicht alles versprochen? Und was davon haben sie gehalten? Die Republik ist eine überaus profitable Sache. Aber nur für jene, die schon von der Monarchie profitiert haben. Und die auch in einer Diktatur profitieren würden. Und weil das immer mehr Menschen begreifen, müssen die Politiker zu immer perfideren Lügen greifen, um das Volk auch weiterhin täuschen zu können.“
    „Sehen Sie die Dinge wirklich so düster, liebes Fräulein?“
    Die Kvitek atmete kurz durch, dann setzte sie zu einer Antwort an: „In einer in Klassen geschiedenen Gesellschaft nimmt die konventionelle Lüge umso größere Gestalt an, je stärker die bestehende Ordnung unter dem Einfluss der ökonomischen Entwicklung und des von ihr hervorgerufenen Klassenkampfes ins Wanken gerät. Je mehr sich der Widerspruch zwischen denwachsenden Produktivkräften und der existierenden Gesellschaftsordnung entwickelt, desto mehr nimmt die Ideologie der herrschenden Klasse den Charakter der Heuchelei an. Und je mehr die Heuchelei durch das Leben Lügen gestraft wird, desto moralischer und heiliger wird die Sprache dieser Klasse.“
    „Hoho“, entgegnete Bronstein mit einem Lachen, „da haben wir ja wirklich eine waschechte Kommunistin unter uns.“ In diesem Augenblick sah er den besorgten Gesichtsausdruck des Vaters und zwinkerte ihm freundlich zu. „Keine Sorge, Herr Professor, für mich heißt Demokratie, dass jeder sagen darf, was er denkt, solange er nicht öffentlich zu strafbaren Handlungen aufruft. Wenn die Gedanken einmal nicht mehr frei sind, dann sind wir wirklich in einer Diktatur angekommen.“ Dann wandte er sich wieder der Kvitek zu: „Meinen Sie wirklich, gnädiges Fräulein, dass es keinen Fortschritt in der Geschichte gibt? Waren denn die Menschen im Altertum nicht ärmer dran als wir heute?“
    „Witzig, Herr Bronstein, dass Sie gerade auf das Altertum zu sprechen kommen. Der Traum von der Gleichheit aller Menschen ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon die alten Griechen träumten ihn. Nehmen wir nur einmal Xenophanes. Der wollte die Gleichheit aller Bürger und proklamierte diese als Sinn und Zweck menschlicher Entwicklung. Dem hielt die herrschende Aristokratie sofort entgegen, dass die allgemeine Gleichheit unmöglich sei, quasi naturbedingt. Die Natur mache die Menschen a priori ungleich, weshalb jeder mit seinem Los zufrieden sein müsse. Dementsprechend dürfe es dem Staat auch nicht darum zu tun sein, die herrschende Ordnung zu ändern, er müsse lediglich danach trachten, dass alles in geordneten Bahnen verlaufe, um Willkür oder Despotie hintanzuhalten. Die bürgerlichen Demokraten verkünden die unbedingte Herrschaft des Gesetzes, in dem gleichsam der allgemeine Wille zum Ausdruck kommt. Strebe man nun nach einerAufhebung der bestehenden Ordnung, so handle man wider das Gesetz, da man ja nicht den allgemeinen Willen vertrete. Doch, so frage ich Sie, was ist der allgemeine Wille? Wenn Sie, Herr Bronstein, eine Partei wählen, die, sagen wir, für eine steuerliche Entlastung eintritt, für mehr soziale Leistungen und, na, für eine Abrüstung der militärischen Einrichtungen, und diese Partei schafft dann neue Panzer an, kürzt das Arbeitslosengeld und erhöht die Konsumsteuern, dann haben Sie dennoch keinerlei Möglichkeit, dies zu verhindern, zumindest nicht bis zur nächsten Wahl. Würden Sie nun sagen, diese Politik entspricht dem allgemeinen Willen?“
    „Na wenn sich eine Partei tatsächlich so verhält, dann wird man sie natürlich nicht mehr wählen“, erklärte Bronstein.
    „Ja, aber es sind doch alle

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