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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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verbeugte sich nochmals in Richtung der Kviteks und verließ dann das Lokal. Nachdem er noch eine kleine Weile ziellos durch den Ort gestreift war, fand er sich auf seinem Zimmer wieder. Dort rastete er sich zunächst etwas aus, indem er es sich auf dem Balkon gemütlich machte, dann jedoch sagte ihm ein Blick auf die Uhr, dass er darangehen musste, sich für das Abendessen anzukleiden. Er wusch sich Gesicht, Nacken undArme, legte dann ein leichtes Unterhemd an, über welches er ein blütenweißes Hemd platzierte. Die schwarze Stoffhose vom Vortag mochte, befand er, noch angehen. Er kombinierte diese Gewandung mit gleichfalls schwarzen Schuhen, einer ebenso schwarzen Fliege und seinem Jackett. Er spritzte sich einen Hauch Kölnischwasser ins Gesicht und überprüfte dann vor dem Spiegel seine Adjustierung. Er war mit sich zufrieden und begab sich sodann in den Speisesaal.
    Dort saßen die Kviteks bereits an ihrem Tisch und winkten ihn freudig zu sich. Bronstein erwiderte die Geste und setzte sich nach einer adäquaten Begrüßung ebenfalls. Kvitek gab dem Kellner ein Zeichen, der daraufhin die Speisekarte brachte. Bronstein entschied sich nach kurzem Zögern für den Tafelspitz, dazu bestellte er einen milden Rivaner. Die Kviteks gaben gleichfalls ihre Bestellung ab, und der Kellner entfernte sich wieder. Bronstein zündete sich eine Zigarette an, Kvitek griff zu seiner Pfeife. Fasziniert beobachte Bronstein, wie viele Handgriffe es brauchte, um diesem Gerät den gewünschten Nikotingenuss zu entlocken. Nachdem Kvitek mit dem Resultat seiner Bemühungen endlich zufrieden war, wandte er sich an Bronstein: „Ich hoffe, der jugendliche Eifer meiner Tochter hat Sie gestern nicht schockiert.“
    Bronstein hob seine Hände zu einer abwehrenden Geste: „Aber ganz und gar nicht, ich fand ihren Standpunkt sogar überaus interessant. Hie und da braucht es einfach eine neue Sichtweise auf die Dinge, sonst ändert sich so lange nichts, bis es zu spät ist.“
    „Siehst du, Papa, das ist genau meine Meinung. In diesem System kommt es unmerklich zu nachteiligen Entwicklungen, die in eine Katastrophe münden können und wohl auch werden. Die Demokratie ist ein Frosch im Kochtopf.“
    „Ein Frosch?“ Bronstein und Kvitek waren gleichermaßen überrascht über diesen Satz.
    „Ein Frosch“, fuhr die Kvitek unbeeindruckt fort, „ist nämlich ein merkwürdiges Tier. Wenn man ihn in einen Topf mit heißem Wasser wirft, dann wird er alles in seiner Macht Stehende tun, um sich daraus zu befreien. Setzt man ihn aber in einen Topf mit lauwarmem Wasser, der sich auf dem Herd befindet, so kann man das Wasser zum Kochen bringen, ohne dass das Tier sich bewegen wird. Ihm fehlt nämlich das Sensorium, den allmählichen Temperaturanstieg zu registrieren. Es fühlt sich quasi wie in einer Badewanne und verpasst dabei den Augenblick, ab dem es gefährlich wird. Es wird also ohne irgendeine Reaktion einfach sterben. Und so ist es mit der Demokratie auch.“
    „Aber Liebes“, ergriff Kvitek die Hand seiner Tochter, „kommt dir dieser Vergleich nicht selbst etwas gewagt vor?“
    „Ganz und gar nicht, lieber Papa, die herrschende Kaste ist in einer bürgerlichen Demokratie dermaßen abgehoben, dass sie nicht weiß, was an der Basis der Gesellschaft vorgeht. Sie ignoriert die Warnzeichen so lange, bis die Revolution losbricht.“
    „Es tut mir leid, verehrtes Fräulein“, mischte sich nun Bronstein ein, „aber ich halte diese These auch für einigermaßen kühn. Es mag zwar auch im jetzigen System zu einigen unerfreulichen Entwicklungen kommen, aber im Großen und Ganzen wird doch niemand von uns der Ansicht sein, dass es in der Monarchie für die große Masse der Bevölkerung besser war als heute.“ Bronstein sah den Professor hilfesuchend an: „Oder sehe ich das falsch?“
    „Das ist ja gerade der Punkt“, hielt die Kvitek ihm sofort entgegen, „es hat sich ja in Wirklichkeit gar nichts geändert. Die herrschenden Eliten der Monarchie sind auch die herrschenden Eliten der Demokratie. Und wissen Sie, warum? Weil die so genannte Revolution von 1918 keine war. Man hat nur die Wände neu gestrichen, aber das Gebäude ist geblieben. Wir leben immer noch im Kapitalismus, und da ist es nebensächlich, welcheRegierungsform sich die Bourgeoisie gibt. Der juristische Überbau ist nur Camouflage für die Ausbeutung des Volkes.“
    „Das heißt, gnädiges Fräulein, Sie sehen keine Fortschritte zwischen, sagen wir, 1916 und heute?“
    „Es

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