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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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eine Familie und wäre Fernsehredakteur oder Meteorologe.
    Lisa ging in meine Klasse und saß schräg vor mir. Wenn sie kurze Ärmel trug, sah ich ihre Sommersprossen, und wenn die Sonne im Fenster stand, spielte das Licht auf ihrem glatten braunen Haar. Fünf Tage hatte ich gebraucht, um mir die richtigen Worte zurechtzulegen.
    «Wollen wir ins Theater gehen? Wer hat Angst vor Virginia Woolf? »
    «Wer hat … was?»
    Nicht, dass ich gerne ins Theater gegangen wäre. Ich fand es langweilig, immer war es stickig, und man verstand die Leute auf der Bühne schlecht. Aber jemand hatte mir gesagt, dass Lisa sich dafür interessierte.
    «So heißt das Stück.»
    Sie betrachtete mich freundlich. Ich hatte nicht gestottert, und es fühlte sich auch nicht so an, als ob ich rot geworden wäre.
    «Welches Stück?»
    «Im … Theater.»
    «Was ist das für ein Stück?»
    «Wenn wir es sehen, wissen wir es.»
    Sie lachte. Es lief gut. Vor Erleichterung lachte ich auch.
    Sie wurde ernst.
    Tatsächlich war etwas nicht richtig gewesen an meinem Lachen; ein wenig zu laut und zu hoch, ich war nervös. Schnell versuchte ich, es zu korrigieren und so zu lachen, wie es sich gehörte, doch ich hatte auf einmal vergessen, wie das ging. Als ich merkte, wie seltsam ich klang, wurde ich nun doch rot: Meine Haut prickelte heiß. Um über den Moment hinwegzukommen, lachte ich noch einmal, aber diesmal klang es sogar schlimmer, und plötzlich sah ich mich vor Lisa stehen und sie anstarren und immer noch lachen und mich dabei beobachten, wie ich lachend vor ihr stand und starrte und lachte. Die Röte brannte auf meiner Haut.
    Heute gehe es leider nicht, sagte Lisa.
    «Aber gerade hast du –»
    Leider, sagte sie. Es sei ihr eben eingefallen. Keine Zeit.
    «Schade», sagte ich heiser. «Und morgen?»
    Sie schwieg eine Sekunde. Leider, sagte sie dann. Auch morgen nicht.
    «Übermorgen?»
    Leider habe sie viel vor in den nächsten Wochen.
    Danach wagte ich es kaum noch, sie von hinten anzusehen. Aber ich konnte nicht verhindern, dass sie weiterhin in meinen Träumen auftauchte. Dort war sie liebevoll, bereitwillig und lauschte jedem meiner Worte. Manchmal waren wir allein im Wald, dann wieder lagen wir auf einer Wiese, manchmal auch waren wir in einem Zimmer, das Licht so schwach, dass ich die Rundung ihrer Schultern, die Umrisse ihrer Hüften, den sanften Fall ihres Haares nur schemenhaft sehen konnte. Wenn ich dann aufwachte, noch benommen vor Lust und schon gequält von Scham, konnte ich nicht begreifen, dass ich gerade eben noch hatte meinen können, so etwas geschähe wirklich.
    Ein paar Monate später kam ich auf einer Party mit Hanna Larisch aus der Nebenklasse ins Gespräch. Ich hatte schon die zweite Flasche Bier getrunken, die Luft nahm eine samtig weiche Konsistenz an, und mit einem Mal unterhielten wir uns über den Würfel. Sie besaß auch einen, jeder besaß einen in diesen Jahren, aber wie fast alle hatte sie nie mehr als eine Seite geschafft.
    Es sei ganz leicht, erklärte ich, man beginne am besten mit der weißen Fläche, dann setze man auf der blauen und der roten ein T zusammen: Grundkante und Mittelstein. Dann vervollständige man den zweiten Ring, indem man das Mittelstück nach rechts oder links eindrehe, dann bringe man das Mittelstück des dritten Rings an die richtige Stelle, wofür es wiederum mehrere Möglichkeiten gebe: so und so und so, ich zeigte die Handbewegungen. Der Trick liege darin, schnell zu entscheiden, welche Kantenstücke man kippen müsse, dafür gebe es keine Formel, das gehe nur mit Übung und Intuition.
    Sie hörte mir zu. Der Würfel war damals auf seinem Zenit, im Fernsehen sprachen Experten über ihn, und in den Magazinen gab es Artikel über die Gewinner der Meisterschaften. Meine Stimme stockte sogar dann nicht, als ich wie absichtslos ihre Schulter berührte; und als ich einen Schritt näher trat, um sie besser hören zu können, denn die Musik war laut, strich sie ihre Haare zurück und sah mich aufmerksam an. Ja, dachte ich plötzlich, so kann es gehen, so macht man es wohl. Ich nahm eine neue Flasche, das Sprechen fiel mir leicht. Und das war das Unglück.
    Ich redete und redete. Ich sprach davon, wie schwierig es war, ganz am Schluss noch die Ecken zu drehen. Ich sprach davon, dass ich mit etwas mehr Übung Chancen auf den Landesmeistertitel hatte und dass dann sogar die nationale Meisterschaft in Reichweite war. Ich spürte, dass Zeit verging und bald etwas geschehen musste, und um zu

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