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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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die Haare aus dem Gesicht und wartet. Wahrscheinlich ist es an mir, etwas zu sagen, aber was will sie hören, wovon redet sie?
    «Ich würde ausziehen, aber das wäre unpraktisch. Ich muss mich um Marie kümmern, ich brauche auch Ligurna. Es ist besser, du suchst dir etwas anderes. Dann musst du nicht immer so weit zur Arbeit fahren.»
    «Zur Arbeit?»
    «Außerdem ist das Haus in der Nähe der Schule. Ich werde nicht viel daheim sein können während der Dreharbeiten. Natürlich kannst du Marie sehen, wann immer du willst.»
    Ich nicke, denn ich verstehe jetzt, was sie sagt, auch wenn es keinen Sinn ergibt. Die Wörter ergeben Sinn, die Sätze scheinbar auch, aber stellt man sie zusammen, sind sie so leer, als spräche sie im Wahnsinn.
    «Eric, ich kann mich jetzt nicht auf deine Spiele einlassen.»
    Ich nicke, als verstünde ich. Glücklicherweise muss ich fürs Erste nichts sagen, denn sie steht auf und redet weiter. Ich höre gedämpft ihre Stimme von langen und einsamen Stunden sprechen, davon, dass ich immer beschäftigt sei und dass Geld und kalte Vernunft nicht über allem stünden. Nach einer Weile verstummt sie, setzt sich, wartet. Ich sehe sie hilflos an.
    «Mach das nicht mit mir», sagt sie. «Deine Tricks. Deine Verhandlungstricks. All deine Tricks. Ich kenne dich. Bei mir funktioniert das nicht.»
    Ich öffne den Mund, hole Luft, schließe ihn wieder.
    Sie spricht weiter. Ihre Arme sind so schmal, ihre Hände zart und elegant, wieder und wieder lässt die Tischlampe den Diamantring an ihrem Mittelfinger aufblitzen. Gerade sagt sie, dass ich auf keinen Fall glauben solle, dass es mit einem anderen Mann zu tun habe, es gebe keinen, wenn ich so etwas dächte, sei ich im Unrecht, denn einen anderen Mann gebe es gewiss nicht, und etwas anderes solle ich nicht denken.
    Ich konzentriere mich darauf, weiterhin aufmerksam zu blicken und mich nicht davon ablenken zu lassen, dass die Farbe aus allen Dingen gewichen ist und mein Gesicht sich anfühlt, als wäre es aus Watte.
    «Antworte mir, Eric! Hör damit auf! Sag etwas!»
    Aber als ich nach einer Antwort suchen will, weicht alles noch weiter zurück. Ich bin wieder im Keller, weit unten, tiefer noch als vorhin, und etwas kommt die Treppe herauf, jemand spricht. Wörter setzen sich zusammen, dunkel ist es, und auf mir liegt Zentnergewicht. Die Stimme kommt mir bekannt vor, und irgendwo öffnet sich ein Spalt Helligkeit. Das Fenster am Schreibtisch. Mir ist, als wäre viel Zeit vergangen, aber Laura sitzt noch da und redet.
    «Fürs Erste kann alles weitergehen wie bisher», sagt sie. «Man kann tun, als wäre nichts. Wir fliegen nach Sizilien. Nächste Woche gehen wir gemeinsam auf den Empfang bei Lohnenkovens. Inzwischen kannst du dir eine Wohnung suchen. Wir müssen uns das nicht schwermachen.»
    Ich räuspere mich. Bin ich wirklich ohnmächtig geworden, hier an meinem Schreibtisch, vor ihren Augen, ohne es mir anmerken zu lassen? Wer zur Hölle sind die Lohnenkovens?
    «Von Scheidung rede ich noch nicht. So weit muss es nicht kommen. Aber wenn doch, müssen wir vernünftig sein. Du hast natürlich gute Anwälte. Das gilt für mich allerdings auch. Ich habe mit Papa gesprochen. Er steht hinter mir.»
    Ich nicke. Aber wer sind sie nur, wer sind die Lohnenkovens?
    «Na gut.» Sie steht auf, streicht sich die Haare aus dem Gesicht und geht.
    Ich öffne die Schublade und pflücke drei, vier, fünf Tabletten aus den Plastikbriefchen. Als ich das Zimmer verlasse, ist mir, als gehörten meine Beine einem anderen, als wäre ich eine Marionette, gesteuert von einem nicht sehr geschickten Puppenspieler.
    Im Esszimmer sitzen alle noch am Tisch.
    «Erledigt, dein Anruf?» Mein Schwiegervater lächelt mir zu.
    Laura neben ihm lächelt auch. Die Schwiegermutter lächelt, die Schwester lächelt, die Töchter lächeln, nur Marie gähnt. Ich habe keine Ahnung, von was für einem Anruf er redet.
    «Laura», sage ich langsam. «Haben wir gerade … Hast du …» Es könnte auch an den Tabletten liegen. Sie sind stark, und ich habe viele genommen. Ich könnte es mir eingebildet haben.
    Oder? Ich habe die Tabletten doch Lauras wegen genommen. Wäre sie nicht zu mir gekommen, ich hätte nicht so viele Tabletten geschluckt. Also können die Tabletten nicht die Ursache dafür sein, dass ich mir einbilde, Laura habe Dinge gesagt, die mich dazu gebracht haben, die Tabletten zu nehmen. Oder?
    «Schlechte Nachrichten?» Mein Schwiegervater lächelt noch immer.
    «Du solltest dich

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