F (German Edition)
Hand auf die Klinke, horche in die Stille und drücke die Klinke nach unten. Ich spüre einen kalten Luftzug: wieder eine Treppe. Ich taste nach dem Schalter, das Licht geht an.
Die Glühbirne hier ist schmutzig und flackert stark, sie muss schon alt sein. Die Stufen sind schmal. Ich trete mit dem rechten Fuß vorsichtig auf die oberste, halte einen Moment inne und gehe dann langsam hinunter.
Da ist es wieder. Ein dumpfer Schlag, ein Zerren und ein Quietschen wie von den Kolben einer großen Maschine. Aber ich kann nicht umkehren. Zu oft der Angst nachgeben, und man wird klein und kümmerlich. Das ist mein Haus. Vielleicht ist das die Prüfung, auf die es ankommt, vielleicht wird sich jetzt alles ändern.
Es verstummt.
In völliger Stille komme ich unten an. Ich höre meinen Atem, und ich höre mein Herz schlagen. Kalt ist es. Wie tief mag ich schon sein? Ich öffne noch eine Tür, auch hier ein Lichtschalter.
Ich höre es wieder. Der Raum ist überraschend groß, wohl fünfzehn mal dreißig Meter. Die Wände aus Stein, der Untergrund harter Lehm, an der Decke zwei Glühbirnen, von denen nur eine funktioniert. Ich sehe ein zerknülltes Tuch, daneben eine gebogene Metallstange, das eine Ende rund wie der Knauf eines Spazierstocks, das andere spitz zugefeilt. Zwei Türen: Ich probiere die eine, sie ist verschlossen. Ich rüttle, sie bewegt sich nicht. Aber die andere lässt sich öffnen, und hinter ihr ist wieder eine Treppe. Kein Lichtschalter zu finden.
Ich starre ins Dunkel hinunter. Ich versuche, die Stufen zu zählen. Mehr als neun kann ich nicht ausmachen.
Genug, weiter gehe ich nicht!
Ich gehe weiter, einen Schritt nach dem anderen, die linke Handfläche an der Wand, in der Rechten das schwach glimmende Telefon. Wann hat das Geräusch aufgehört? Ich habe es gar nicht gemerkt. Ich steige noch zwei Stufen hinunter. Noch eine Stufe. Und noch eine. Jetzt ist die Treppe zu Ende.
Vor mir ist eine Tür. Ich will sie öffnen, aber sie ist fest verschlossen. Ich verspüre Erleichterung. Es geht nicht weiter, ich darf zurück. Als ich es noch einmal versuche, öffnet sie sich ohne Widerstand.
Ich taste mich voran. Unter mir eine Treppenstufe aus Stahl, die Wand neben mir ist gewölbt. Ein Moment vergeht, bis ich begreife: eine Wendeltreppe. Der Schacht führt senkrecht in die Tiefe. In meiner Tasche finde ich einen Kugelschreiber aus Plastik. Ich halte ihn mit ausgestrecktem Arm und lasse ihn fallen.
Ich warte. Kein Aufprall zu hören. Wahrscheinlich war der Kugelschreiber zu klein und zu leicht. Ich durchsuche meine Taschen und finde eine Brieftasche, ein Feuerzeug aus Metall, einen Schlüsselbund, Münzen. Das Feuerzeug habe ich nur, um Rauchern Feuer anzubieten, ich lasse den Verschluss aufschnappen. Im Licht der Flamme, viel heller als das Telefon, sehe ich die Stufen besser. Ich halte sie über den Schacht, sie flackert. Von unten strömt also Luft herauf. Ich zögere, dann lasse ich es fallen. Die Flamme schrumpft und wird vom Dunkel geschluckt. Kein Aufprall zu hören.
Aber ich höre etwas anderes. Ich horche, warte, horche, die Erschütterungen werden stärker: Etwas stößt gegen die Stufen. Erst nach ein paar Sekunden wird mir klar, dass jemand die Treppe heraufkommt. Auf mich zu.
Dann wird es dunkel.
Und langsam wieder hell. Wir sitzen beim Abendessen: Laura, Marie, Lauras Vater, Lauras Mutter, Lauras Schwester, deren Mann und zwei Töchter, alle um den gedeckten Tisch.
«Die ganze Woche soll es so heiß bleiben», sagt Laura.
«Jeder Sommer schlimmer als der davor», sagt ihre Schwester. «Man weiß ja gar nicht, wohin man gehen soll mit den Kindern.»
«Ein Haus in Skandinavien», sagt mein Schwiegervater. «Oder an der Nordsee.» Er sieht mich an. «So wie dein Bruder eines hat. Das bräuchte man.»
«Wir könnten ihn besuchen», sage ich gepresst. Ich würde gern essen, denn ich habe Hunger, aber meine Hände zittern zu stark.
Jetzt spricht mein Schwiegervater über Politik. Ich nicke in regelmäßigen Abständen, die anderen tun das Gleiche. Er ist Architekt, hat in den Siebzigern einige der hässlichsten Zementbauten des Landes errichtet und dafür das Bundesverdienstkreuz bekommen. Er gestikuliert mit Bedacht, und er setzt lange Pausen, bevor er etwas sagt, das er für wichtig hält. So muss man es wohl machen, so muss man sein, so dreinschauen, dann wird man respektiert. Ich bewundere ihn, ich wollte immer sein wie er; und wer weiß, vielleicht ist er in Wirklichkeit ja auch ein
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