Fabelheim: Roman (German Edition)
benutzen.«
Maddox blickte Opa fragend an, und Opa nickte.
»Die Gesellschaft des Abendsterns, kurz: GAS, ist eine Geheimorganisation, von der wir alle gehofft hatten, sie wäre vor Jahrzehnten ausgestorben«, erklärte Maddox. »Im Laufe der Jahrhunderte war ihre Bedeutung mal größer, mal kleiner. Und gerade wenn man denkt, man hätte sie von hinten gesehen, kommen einem neue Gerüchte zu Ohren.«
»Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Reservate zu
übernehmen, um sie für ihre eigenen, irregeleiteten Zwecke zu benutzen«, sagte Opa. »Die Mitglieder der Gesellschaft verkehren mit Dämonen und Leuten, die die schwarzen Künste ausüben.«
»Werden sie uns angreifen?«, fragte Seth.
»Unwahrscheinlich«, antwortete Opa. »Die Reservate werden von mächtigen Zaubern geschützt. Aber ich höre trotzdem genau hin, wenn mir Neuigkeiten zu Ohren kommen. Schadet nichts, vorsichtig zu sein.«
»Warum ›der Abendstern‹?«, wollte Kendra wissen. »Es ist so ein hübscher Name.«
»Der Abendstern läutet die Nacht ein«, sagte Maddox. Schweigend dachten sie über die Antwort nach. Maddox wischte sich mit einer Serviette über den Mund. »Tut mir leid. Kein sehr fröhliches Thema für den Esstisch.«
Nach dem Abendessen räumte Lena den Tisch ab, und sie gingen alle ins Arbeitszimmer. Maddox nahm mehrere Kisten und Käfige, die er in der Eingangshalle abgestellt hatte, mit hinein. Dale, Seth und Kendra halfen ihm. Die Kisten hatten Löcher, offenkundig, damit die Geschöpfe darin atmen konnten, aber Kendra konnte sie nicht sehen. Alle Behältnisse waren verschlossen.
Opa ließ sich hinter seinem wuchtigen Schreibtisch nieder, Dale und Maddox nahmen in den übergroßen Sesseln Platz, Lena lehnte sich an das Fenstersims, und Kendra und Seth setzten sich auf den Boden.
»Zuerst einmal«, begann Maddox, während er sich vorbeugte und eine große, schwarze Kiste aufschloss, »haben wir hier einige Feen aus einem Reservat auf Timor.« Er öffnete die Luke, und acht Feen kamen herausgeschwebt. Zwei winzige, nicht mehr als zwei Zentimeter groß, huschten auf das Fenster zu. Sie waren bernsteinfarben und hatten die Flügel von Fliegen. Eine drosch mit einer klitzekleinen
Faust auf die Fensterscheibe ein. Eine mehr als zehn Zentimeter große Fee schwebte vor Kendra. Sie sah aus wie die Miniaturausgabe einer Bewohnerin der Pazifischen Inseln, mit Libellenflügeln auf dem Rücken und winzigen Flügeln an den Handgelenken.
Drei der Feen hatten kunstvolle Schmetterlingsflügel, die an Glasmalereien erinnerten. Eine andere hatte ölige, schwarze Flügel. Die der Letzten waren pelzig, und ihr Körper war mit hellblauem Flaum bedeckt.
»Wow!«, rief Seth. »Die ist aber behaart.«
»Ein Dauniger Quellgeist. Sie kommen nur auf der Insel Roti vor«, erklärte Maddox.
»Mir gefallen die Kleinen«, sagte Kendra.
»Eine verbreitetere Art – kommen von der malaiischen Halbinsel«, antwortete Maddox.
»Sie sind so schnell«, bemerkte Kendra. »Warum fliehen sie nicht?«
»Wenn man eine Fee einfängt, verliert sie ihre Macht«, sagte Maddox. »Halte sie in einem Käfig oder einem verschlossenen Raum wie diesem gefangen, und sie können ihre Magie nicht benutzen, um zu fliehen. In Gefangenschaft werden sie ziemlich fügsam und unterwürfig.«
Kendra runzelte die Stirn. »Woher weiß Opa, dass sie in seinem Garten bleiben werden, wenn er sie kauft?«
Maddox zwinkerte Kendra zu. »Du kommst direkt zur Sache. Feen sind sehr ortstreue Geschöpfe, sie wandern nicht. Wenn man sie in eine für sie geeignete Umgebung bringt, bleiben sie, wo sie sind. Vor allem an einem Ort wie Fabelheim, mit Gärten und reichlich Nahrung und anderen magischen Geschöpfen.«
»Ich bin davon überzeugt, dass ich für den Quellgeist etwas Passendes zum Tausch anbieten kann. Wir können die Einzelheiten später klären.«
Maddox schlug auf die Seite der Kiste, und die Feen kehrten zurück. Die Feen mit den Glasflügeln ließen sich Zeit und flatterten träge heran. Die Kleinen zischten förmlich herbei. Der Quellgeist schwebte in einer Ecke des Raums, direkt unter der Zimmerdecke. Maddox klopfte abermals auf die Kiste und zischte einen strengen Befehl in einer Sprache, die Kendra nicht verstand. Die pelzige Fee glitt in das Behältnis.
»Als Nächstes haben wir einige Albino-Nachtdiebe aus Borneo.« Aus einem Karton flogen drei milchig weiße Feen, deren mottenähnliche Flügel mit schwarzen Tupfen gesprenkelt waren.
Maddox zeigte ihnen noch einige
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