Fabelheim: Roman (German Edition)
zu handeln. Doch was für eine Waffe sollte das sein, wie musste man sie benutzen, und würde sie überhaupt auf den Dachboden hinaufgelangen? Aber es war wenigstens ein Plan. Zumindest konnte sie sich sagen, dass es einen guten Grund gab, um wegzulaufen.
KAPITEL 17
Ein verzweifelter Versuch
K endras Angst vor dem Einbruch der Nacht verhinderte leider nicht, dass es dennoch dunkel wurde. Die Dämmerung verblasste langsam, bis Kendra nur noch das Licht des Halbmonds blieb. Die Nacht wurde kühler, aber nicht kalt. Der Wald war in düstere Schatten gehüllt. Gelegentlich hörte sie beunruhigende Geräusche, aber sie bekam die Wesen, von denen die Laute stammten, nie zu sehen. Sie drehte sich immer wieder um, aber der Weg blieb hinter ihr genauso verlassen wie vor ihr.
Mal ging Kendra, mal lief sie. Ohne Orientierungspunkte war schwer festzustellen, wie weit sie inzwischen gekommen war. Die unbefestigte Straße schien sich bis in alle Ewigkeit zu erstrecken.
Sie machte sich Sorgen um Oma Sørensen. Seit sie Muriel angeschossen und Hugo befohlen hatte, die Kobolde kampfunfähig zu machen, war sie wahrscheinlich nicht mehr durch den Vertrag geschützt. Kendra begann sich zu wünschen, sie hätte Muriels Aufforderung, bei ihrer Familie in der Kirche zu bleiben, angenommen. Das Schuldgefühl, als Einzige davongekommen zu sein, war fast unerträglich.
Es war schwer, die verstrichene Zeit abzuschätzen. Die Nacht zog sich dahin, genauso endlos wie die Straße. Der Mond wanderte langsam über den Himmel. Oder war es die Straße, die die Richtung änderte? Kendra war sicher,
dass sie schon seit Stunden unterwegs war, als sie eine große Lichtung erreichte. Im Mondlicht schimmerte ein kaum erkennbarer Pfad, der von der Straße abzweigte. Er führte zu einer hohen, dunklen Hecke.
Der See mit den Pavillons! Endlich ein Orientierungspunkt. Sie konnte nicht mehr als eine halbe Stunde von dem Haus entfernt sein, und von der Morgendämmerung war immer noch nichts zu sehen.
Wie lange würde es dauern, bis Bahumat freikam? Vielleicht war der Dämon bereits frei. Würde sie merken, wenn es geschah, oder würde sie es erst herausfinden, wenn sie von Monstern gejagt wurde?
Kendra rieb sich die Augen. Sie war erschöpft. Ihre Beine wollten nicht mehr weitergehen. Sie merkte, dass sie großen Hunger hatte. Sie blieb stehen und streckte sich. Dann begann sie zu laufen. Sie konnte den Rest des Weges laufen, nicht wahr? Es war nicht mehr allzu weit.
Als sie den schmalen Pfad erreichte, der von der Straße abzweigte, blieb Kendra schlitternd stehen. Der Anblick der Hecke hatte sie auf eine Idee gebracht.
Die Feenkönigin hatte einen Schrein auf der Insel in der Mitte des Sees. War sie nicht angeblich das mächtigste Geschöpf in der ganzen Feenwelt? Vielleicht konnte Kendra versuchen, sie um Hilfe zu bitten.
Kendra verschränkte die Arme. Sie wusste so wenig von der Feenkönigin. Abgesehen von der Information, dass die Königin sehr mächtig war, hatte sie noch gehört, dass es den sicheren Tod bedeutete, auch nur einen Fuß auf ihre Insel zu setzen. Der Einzige, der es jemals versucht hatte, war in eine Wolke von Pusteblumensamen verwandelt worden.
Aber warum hatte er es versucht? Kendra glaubte nicht, dass man ihr einen besonderen Grund genannt hatte, nur
dass er ein verzweifeltes Anliegen gehabt hatte. Aber die Tatsache, dass er es versuchte, bedeutete, dass er einen Erfolg zumindest für möglich hielt. Vielleicht war sein Anliegen nicht dringend genug gewesen.
Kendra dachte über ihr Anliegen nach. Ihre Großeltern und ihr Bruder sollten getötet werden. Und Fabelheim sollte zerstört werden. Das wäre doch auch für die Feen schlecht, oder etwa nicht? Oder war es ihnen egal? Vielleicht würden sie einfach irgendwo anders hingehen.
Unentschlossen betrachtete Kendra den undeutlichen Pfad. Welche Waffe hoffte sie im Haus zu finden? Vermutlich gar keine. Also musste sie höchstwahrscheinlich über das Tor steigen und fliehen, bevor Bahumat und Muriel sie einholten und töteten. Und ihre Familie würde sterben.
Aber die Idee mit der Feenkönigin könnte funktionieren. Wenn die Königin so mächtig war, könnte sie vielleicht Muriel und sogar Bahumat aufhalten. Kendra brauchte einen Verbündeten. Trotz ihrer lauteren Absichten konnte sie keine Möglichkeit entdecken, wie sie es allein schaffen sollte.
Seit ihr die Idee gekommen war, fühlte Kendra sich irgendwie anders. Das Gefühl kam so unerwartet, dass es einen Moment dauerte,
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