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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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ihre nutzlosen Schätze davon, zwei Kerle stritten sich prügelnd um ein Stück Stuhl, ein Herr mit Schnurrbart, dem die Krawatte aus der Weste hing, brüllte NIEDER MIT DEM ESTADO NOVO ES LEBE DIE FREIHEIT, doch ein großer, ruhiger Typ mit mißtrauischem Auge fragte, Bist du nicht zufällig einer von der Pide?, und er schwieg sofort, wie eine Blume sich schließt, verschwand entsetzt inmitten von Leuten, die jetzt, angefeuert von einem unsichtbaren Lautsprecher, ALLE DIE REGIERUNG STÜRZEN, zum Largo do Carmo trabten; Kampfwagen, Menschenmengen, Soldaten, ein ungeheures Durcheinander,
kleine Jungs, die vor der Kaserne der Guarda Republicana in den Bäumen hingen, die Wachhäuschen leer, Offiziere auf Autodächern, das Megaphon am Mund, hinderten das Volk daran, den Eingang zu stürmen, die Türen aufzubrechen, übereinanderstolpernd wie blinde Küchenschaben auf dem Kasernenplatz herumzurennen. Was würde mein Onkel sagen, wenn er das sieht, dachte er, was zum Teufel würde der Alte davon halten, ein Hauptmann forderte leere Fensterreihen auf, sich zu ergeben, Kriegspanzer kamen und fuhren langsam wieder weg, in einem brüllenden Stimmengewirr wurden hier und da unverständliche Slogans durcheinandergesungen, die Amateurschauspieler in karierten Hemden wie dieser junge Mann bei der Pide zu vereinen versuchten, indem sie wie Chordirigenten mit den Armen ruderten, FREI-HEIT FREI-HEIT FREI-HEIT, Das ist nur noch eine Frage von Stunden, informierte ihn fröhlich ein Begeisterter mit Knebelbart, morgen können Sie sie sich angucken, wie sie an den Laternen der Avenida baumeln, doch es gab keine Exekutionen, Herr Hauptmann, es gab kein Blut, es gab keine ernsthafte Revolte, die, die vorher was zu sagen hatten, hockten nach ein paar Jährchen Exil, nach ein paar Wochen Gefängnis wieder auf den Chefsesseln, und so geht alles in diesem Scheißland genauso weiter, soviel Glück, soviel Aufwand, soviel Getöse für nichts und wieder nichts, am Ende kam ein General mit Monokel in einem Auto, das die Menge mit Ovationen bedachte, die Soldaten trieben die Leute mit den Gewehrkolben weg, noch mehr Befehle, noch mehr Hymnen, noch mehr Geschrei, die Hand des Onkels rief ihn ins verglaste Büro, sein melancholisches, mutloses Gesicht wartete in Todesqualen, die Buchhalterin saß mit in der Luft steckengebliebenem Kugelschreiber am Schreibtisch.
    – Nun, knurrte Senhor Ilídio leise, haben die Plünderungen schon begonnen, haben sie schon damit angefangen, ehrbare Leute auszurauben?
    Er hatte, weil ihm ihr beunruhigter, verblüfft fragender Gesichtsausdruck, ihre geflüsterten Beratungen, ihre flüchtigen
Blicke zu dumm geworden waren, die Angestellten weggeschickt, sie sollten morgen wiederkommen und die Frachten vom Vortag ausliefern, die Lampen schaukelten leicht an den morschen Dachbalken, die Dämmerung drang schräg durch die Luken, der sangriafarbene Himmel verschlang die Schornsteine, und es gab keine Plünderungen, niemand wurde ausgeraubt, und wir machen bis heute mit dem kleinen Umzugsunternehmen weiter, und das schon fast seit zehn Jahren, und es herrscht schon wieder die stagnierende, stille, leichenhafte, unveränderliche Ruhe von einst. Der General mit dem Monokel stieg aus, die Orden und Sterne blitzten in der Sonne, er verschwand in Begleitung von zwei oder drei äußerst würdigen, zutiefst überzeugten Zivilisten mit Krawatte in dem großen Gebäude am Carmo, ein paar Sekunden Abwarten, ein paar elastische Minuten, die ewig dauerten, noch mehr Leute kletterten auf die Bäume, die Dächer der Gebäude ringsum waren mit Leuten gefüllt, die Maestros begannen wieder, jetzt noch energischer, mit den Armen zu rudern, FREI-HEIT FREI-HEIT FREI-HEIT, ihm war so, als hätte er Odete an einen jungen Mann mit einer Fahne in der Hand gelehnt gesehen, aber nein, sie war es nicht, es war ein Mädchen, das kleiner, häßlicher war und vor deren Füßen ein Gitarrenkasten stand, der Hauptmann mit dem Megaphon konferierte hin und wieder mit Fähnrichen und Unteroffizieren, die auf Zehenspitzen schwankten, um mit ihm zu reden, ein Atlantik aus Köpfen zog sich zusammen und wieder auseinander, brodelte in einem Schaum aus Augen, Zahnkiefern, Nasen, Kinnen, der Onkel erhob sich vom Stuhl, kam, die Hände in den Hosentaschen, hinaus, um die Nacht auszuspähen, die Lichter, die in dem finsteren, kleinen Park angingen, die streunenden Hunde, ein Krankenwagen verließ das Hospital dos Capuchos dort unten, er ging wieder hinein,

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