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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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nebeneinander
numerierte Türen lagen und Lithographien hingen, die Mönche in Sandalen mit nackten Mädchen auf dem Schoß zeigten: Deine Mutter, Onkel, die Mutter meiner Mutter, die, die sich über eure Heirat aufregte, nichts davon hören wollte, die Dona Isaura beschimpfte (die Abendsonne kroch wie ein gelber Wurm über den Fußboden, legte neue Ritzen, neue Mängel, neue Löcher im Holz frei), die mit den dichten, grimmigen Pupillen, die die Mädchen in reglos respektvoller Panik hielten.
    – Wenn sie den Vorsitzenden des Ministerrates in einem Panzerwagen mitgenommen haben, dann sind wir geliefert, klagte Senhor Ilídio, den Kopf zwischen den Händen. Es wird nicht lange dauern, dann kommen sie mit der Pistole hier ins Lager, um uns zu holen.
    Die Konsolen konfisziert, die Bidets konfisziert, die Pianos konfisziert, all dieser nutzlose, vergammelte Kram, sogar der Staub und die Mäuse und die Spinnweben konfisziert, der Laden von schielenden Milizionären geschlossen, während die Buchhalterin verzweifelt, die Handtasche schwenkend, hinter Gittern mit den Armen wedelte. Dieser hier, der Dona Emília, würdest du deinen Segen geben, Großmutter, sie gehörte deiner Rasse der Taranteln mit der falschen Ruhe an, als ich sie entlassen habe, hat sie mir mit der Polizei gedroht, wollte mich schlagen, vor Gericht zerren, hat ihren Sohn, einen ziemlich großen und kräftigen Drucker, losgeschickt, damit er mich verprügelt.
    – Du mußt verrückt sein, sagte Dona Emília frostig. (Wenn du ein Hurenhaus leiten würdest, könnte man in Portugal wenigstens ordentlich ficken.) Was hast du gemacht, daß sie dich festgenommen haben?
    Die Menschenmenge auf dem Platz nahm laufend zu, viele Leute trugen Fahnen und Radios wie bei Fußballspielen, die Bäume waren Knäuel aus Beinen und Armen und aufmerksamen, erwartungsvollen, gefräßigen Augen, ein Panzer löste sich aus der Menge, fuhr auf die Kaserne zu, offene Münder, Tausende von Zähnen, die im grünen Schaum der Blätter in der Sonne blitzten,
Ellenbogen, die mich stießen, Gliedmaßen, die sich an meine preßten, saurer Atem, der mir in den Nacken geblasen wurde, begeisterter Schweiß auf den Nasenflügeln, und plötzlich, Herr Hauptmann, fühlte ich mich wieder, als wäre ich vier, fünf, sechs, sieben Jahre alt, von den phantastischen, dichten, fürchterlichen Proportionen der Erwachsenen erdrückt, der Platz verwandelte sich in das unendliche großmütterliche Eßzimmer, voller Bildchen von Heiligen und anrüchigen Nymphen, das von Hunderten und Aberhunderten schlaftrunkenen, überspannten, schmachtenden, halbnackten Mädchen bevölkert war, die die Augenlider mit Pinseln dunkel färbten, die Hornhaut an den Füßen feilten, mechanisch hin und wieder FREI-HEIT FREI-HEIT FREI-HEIT FREI-HEIT schrien, vor der Kaserne am Carmo in durchsichtigen Morgenmänteln oder mit Schultern, auf denen Tropfen glänzten, in Badehandtüchern flanierten und mir von fern albernd zuwinkten, ironische Blicke, witzige Gesten zuwarfen, als wäre ich, Herr Hauptmann, ein lächerliches, halb idiotisches, blödes Kind, als würde ich nicht heimlich in die Zimmer am Flur schauen, als würde ich sie nicht mit geöffneten Schenkeln auf dem Bett liegen sehen, nachdem sie sich überraschend flink ausgezogen, die Überdecke abgenommen, die Kleider zusammengelegt hatten, in Begleitung von einfachen Soldaten, von alten Männern, kleinen verschämten Jungen mit Sonntagskrawatte und -anzug, als hätte ich nicht ihre auf den Matratzen gestrandeten Körper ausgespäht, das Schlängeln ihrer Hüften und Hinterbacken, die dunklen Mandeln der Scham, die sie, rittlings auf dem Bidet sitzend, mit der Flüssigkeit aus einer Korbflasche wuschen, der Onkel zog abermals die Schublade des Schreibtisches auf, wühlte im Müll darin herum, zog das Röhrchen mit den Pillen heraus, legte eine Tablette in den Mund und hob aus den Tiefen des Stuhles die angstverzerrten Augen zu ihnen:
    – Schneller, als man bis drei zählen kann, sitzen wir alle hinter Gittern, du wirst schon sehen, die requirieren unsere Laster für sich, zwingen mich, bulgarische Ingenieure und polnische
Spione in meiner Wohnung aufzunehmen, lassen mich, in eine alte Decke gewickelt, zähneklappernd auf der Matratze im Wohnzimmer schlafen.
    Und Dona Emília empört zu mir, Sehen Sie, sehen Sie, der ist verrückt geworden, der ist wahnsinnig, dem sitzt ’ne Schraube locker, der trinkt mir das Wasser aus den Blumenvasen, der stopft sich mit Pillen

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