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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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schluckte noch eine Pille und versicherte mit Grabesstimme, die Pupillen auf den fleckigen Mobiloilkalender an der Wand geheftet, Das wird eine Scheißrebellion in diesem Land geben, wir sind am Arsch.

    – Er sah sein Geschäft den Bach runtergehen, kentern, absaufen, endgültig bankrott gehen, erklärte der Soldat, sah die Möbel im Lager verrotten, und niemanden, der sie anforderte, die Umzüge Ilídio ohne Aufträge, ruiniert, und nicht nur die Umzüge Ilídio, Herr Hauptmann, er sah nimmer endende Schlangen für Fleisch, Gemüse, für Milch anstehen, magere, schlechtgekleidete Leute mit Hungergesichtern, Diebesbanden mit Stoppelbart, die ehrbare Leute an den Ecken ausraubten, Militärjeeps, die, nachdem die Sirene der Feuerwehr die Ausgangssperre angesagt hatte und herrisch durch die unbeleuchteten Straßen gebrandet war, auf flüchtige Gestalten schossen, die lautlos mit dem Gesicht nach unten auf Bürgersteige fielen, von riesigen, zotteligen grauen Hunden beschnüffelt wurden. Benzin gab es nicht mehr, Milizionäre in Khaki brachten die Autos mit grimmigen Kränen weg, man fuhr mit kaputten, zittrigen Autobussen, die drangvoll mit ängstlichen, ernsten Leuten waren, man stolperte über übelriechende Leichen auf den Kellertreppen, in den Eingangshallen, in der nahen Umgebung von Botschaftsgebäuden, in den wenigen noch offenen Läden ohne Schaufenster mit hinter leeren Tresen halb versteckten Kassierern. Und die Krankenhäuser überschwemmt von mit dreckigen Verbänden und Binden versehenen Verletzten, Tausende in Sportstadien und Stierkampfarenen gefangene Menschen, Erschießungspelotons, die Typen mit hinter den Rücken gebundenen Armen gegen die Sockel der Statuen schubsten, die Maschinengewehre, die Proteste, das Weinen, das Flehen, rote Fahnen auf öffentlichen Gebäuden, überall Russen und Chinesen, die Befehle gaben, den Regierungspalast übernahmen, mit Besitzergehabe durch die Stadt flanierten, und Odete, Aber was haben Sie denn bloß, das sind doch fixe Ideen, mit dem Estado Novo und der politischen Polizei ist es aus, mehr nicht, und Senhor Ilídio verzweifelt, Wenn du deine eigene Scheiße essen mußt, wenn sie dich gewaltsam mit einem Tschechoslowaken verkuppeln, dann sprechen wir uns wieder, das mit den Parteien ist nur ein Trick von denen, um uns besser in den Arsch zu ficken.

    Der General mit dem Monokel kam schließlich wieder aus der Kaserne der Guarda Republicana heraus, und ohne sich von der Begeisterung rühren zu lassen, ohne auf den Applaus zu antworten, setzte er sich mit den feierlichen Herren wieder ins Auto, das plötzlich vom Platz fuhr, durch Leiber, Gesten, Schilder ein siegreiches Lächeln schnitt, die Menge schlug mit den Fingerknöcheln an die Türen, begrüßte ihn, schrie, noch mehr Panzer kamen, die ihre Geschütze auf das menschenleere Gebäude richteten, noch mehr Offiziere, noch mehr Truppen, ein Typ mit einem Henkelkorb verteilte Nelken, und plötzlich erinnerte sich der Soldat, Meine Großmutter hat hier in der Nähe gewohnt, an dieser abschüssigen Straße, von der aus man den Tejo sehen kann, und in seinem Gedächtnis tauchte unangetastet die alte, beinahe ärmliche Wohnung der greisen Frau wieder auf, das imposante Bild des Heiligen Herzens Jesu in der Diele, der unebene fleckige Boden, die ewige Masse von Küchenschaben in den Ecken, ein paar steife Flechtsofas, dicke Frauen mit Schürze, die in der riesigen Küche in Töpfen rührten, ein langer Tisch mit Wachstuchdecke im Eßzimmer, und eine oder zig zu stark geschminkte, zu extravagante, zu schläfrige Mädchen, einige von ihnen in Unterrock und Hauspantöffelchen, andere, deren falsche Wimpern sich lösten und die, während sie auf die Suppenterrine warteten, die Nägel oder Lippen anmalten, stritten, sich unterhielten, die Haare bürsteten, in den Lücken der Ausschnitte die riesigen bleichen Kugeln ihrer Bürste sehen ließen. Ich aß mitten zwischen ihnen zu Mittag, Herr Hauptmann, war hingerissen von den Kleidern, den Düften, den langen haarigen, glatten Schenkeln, von den kleinen pieksigen Igeln, die ich gleich unterhalb des Bauchnabels erriet, von der runden Feuchtigkeit der dicht beieinandersitzenden Körper, vom Meeresrauschen der Gespräche, von meiner Großmutter, die mir hin und wieder das Ohr langzog, die einen wohlwollend autoritären Blick in die Runde auf die Frauen warf und um den dicken Hals einen Rosenkranz aus Elfenbein trug, die mir verbot, auf dem Wohnungsflur zu spielen, an dem

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