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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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unbefriedigend schnell das geht, er fand Marianas Korb von den dicken Hinterbacken der zerstreuten Schwägerin zerquetscht, all diese Möbel, all dieses Schnitzwerk, all diese Landschaften aus dem neunzehnten Jahrhundert, die auf den Karren der Zigeuner davonfuhren, die Schwager begannen über Pferde zu reden, von Bankoperationen, von Frauen, die Tanten schwärzten die Wimpern, die Welt kehrte gelassen ins übliche Fahrwasser zurück, das Meer drang in einem einzigen, einförmigen, dicken Blau in den Himmel ein, in dem Schiffe wie Wolken dahinsegelten, er suchte Inês in der von Schränken und Maschinen gespickten Küche, stieg in den ersten Stock hinauf, öffnete Türen, schloß Türen, spähte in Zimmer hinein, in denen niemand war, die Bettwäsche brutal zur Seite geschoben war, ein Plattenspieler machte ihn einen Augenblick lang taub, er ging von einem Teppich zum anderen, schaute aus den Fenstern auf den stillen Frieden der Bäume, schob eine Schwingtür auf, und da waren die beiden, Inês und die Freundin der Mutter mit dem lila Haar, auf einem Diwan hingegossen, küßten sie sich, umarmten sie sich, fuhren sich gegenseitig mit den Fingernägeln über die Beine, ihm gegenüber gleichgültig, in schmachtendem, unendlichem Durst. Ihn erfaßte ein Schwindel, er lehnte sich an die Wand, zog unter Mühen die Luft ein, die Geräusche im Motel waren nicht mehr zu hören, er sprang von der Matratze auf. Lichttropfen trieben träge in der Ferne:
    – Es ist wahnsinnig spät, schon nach vier, erklärte er Ilda stotternd. (Und seine eigene verzweifelte, angespannte Stimme
kam ihm fremd vor in der Dunkelheit.) Wenn wir uns nicht schnell fertig machen, kommen wir erst am Morgen in Lissabon an.

5
    – Sogar nach dem Staatsstreich, Herr Hauptmann, sagte der Soldat, blühte das Geschäft von Umzüge Ilídio. Aber es fehlte irgend etwas, wissen Sie, vielleicht das Engagement, die Begeisterung meines Onkels, der nun allem gegenüber gleichgültig im Glaskäfig saß und die Blume auf dem Schreibtisch betrachtete, vielleicht die Peitsche des ständig anwesenden, heftigen Asthmas, vielleicht unsere Panik vor seinen verheerenden Zornesausbrüchen. Es blühte aus Trägheit, nicht wegen der Arbeit, wie wenn sie einem das Wasser abstellen und das, was noch in den Rohren ist, weiter welk aus den Wasserhähnen tropft, und man weiß, daß gleich, nach zwei oder drei Rülpsern, pffff. Es waren nicht die Revolution und die Komplikationen, die darauf folgten, die uns das Leben schwermachten, es war Dona Isauras Thrombose, die uns einen Strich durch die Rechnung machte.
    Anfangs kam täglich abends eine Krankenschwester, eine alte, nicht besonders saubere Frau, die in der Straße weiter unten wohnte und von der es hieß, sie mache heimlich Abtreibungen und sie gab der Kranken eine Spritze, und einmal im Monat kam ein skeptischer Arzt, der das Bett von weitem begutachtete, das melancholische Pferdehaupt schüttelte, einen Block aus der Tasche des Regenmantels zog und unlesbares, wirres Gekritzel verschrieb, das der Angestellte in der Apotheke in Sirups und Tabletten übersetzte, die Dona Isaura zu schlucken sich weigerte, wobei sie den schiefen Mund in heftiger Ablehnung wegdrehte, während das offenere Auge sich mit niederschmetternd geistesklarem Haß erfüllte. Doch sie wurde schwächer, nahm ab, schlief die ganze Zeit einen von Geschniefe und Gegrummel jäh unterbrochenen Schlaf, sie urinierte ständig in die Bettücher, ein nach Ammoniak
stinkender Dunst verbreitete sich in der Wohnung, der Staub sammelte sich auf den von Papp- und Holzkeilen gestützten morschen Möbeln, in der Steinspüle trockneten widerlich fette, Eingeweideschleim gleichende Essensreste. Onkel Ilídio redete mit der Krankenschwester, und die legte die Spritze zur Seite und widmete sich oberflächlichen, sogenannten Reinigungsmaßnahmen, indem sie vage das eine oder andere Bettuch wusch, mit einem zerstreuten Topfreiniger über die Krusten der Teller fuhr, die schmalen Fenster im hinteren Teil der Wohnung öffnete, die zu einem winzigen, von zwei Hühnern und drei Kohlpflanzen erstickten Garten hinausgingen, was zu dem einzig sichtbaren Ergebnis führte, daß gierige, dichte Fliegenschwärme die Zimmer überschwemmten und sich auf der Matratze der Alten an frischer Pisse gütlich taten. Der pessimistische Arzt verschwand, ließ ein riesiges Schwemmland aus Medikamentenschachteln zurück, die sich überall wie Ebbemüll aufhäuften, und der Onkel brachte, in der Jacke

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