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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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versteckt, die Blumenvase mit nach Hause, stellte sie mitten auf den Eßtisch und blieb den ganzen Abend keuchend vor den sterbenden Blütenblättern sitzen, die er langsam mit den kugeligen Augen eines Ochsen abweidete.
    – Und dann begann die Buchhalterin ins Haus zu kommen, sagte der Soldat, schaltete und waltete, gab Odete, dem Chef, mir Anweisungen, stellte Gegenstände um, belegte während des Essens herrisch den Platz von Dona Isaura, die auf der Matratze Diarrhöe- und Spuckanfälle blubberte. Odete und ich, Herr Hauptmann, schlossen uns nach dem Kaffee in unsere Zimmer ein, sie unter dem Vorwand, lernen zu müssen, ich, um auf der Liege ein Comic-Heft zu lesen, und man hörte durch die Türritzen die Geräusche des Stadtteils, die kurzen, strangulierten Schluchzer der Hühner, Dona Isaura, die mit dem Kopfkissen kämpfte, und vor allem die Stimme der Buchhalterin, die böse zu werden, Reden zu halten oder zu drohen schien, unangenehm und spitz Silbenpfeile auf die reglose, besiegte Gestalt des Asthmatikers abschoß, der an seiner leblosen Blume hing wie ein Bild an einem Haken.

    – Nein, das ist es nicht, verdammt, das Problem ist, ich habe schon jede Menge Sachen getrunken, versicherte der Oberstleutnant der dicken Mulattin mit dem Popcorn, die mit einem einzigen Biß, ohne ihn zu hören, ein riesiges Sandwich mit gekochtem Schinken verschlang. Whisky, Martinis, Wodka, Gin, sogar den Wundalkohol in Mosambik, immerhin, aber nichts hat meine Eingeweide jemals so angegriffen wie dieser Scheißchampagner.
    Der Soldat kam stets um dieselbe Zeit in das Lager, doch die anderen Angestellten kamen immer später, neun, halb zehn, zehn, und der Onkel, der, die Hände am Kinn, dem klingelnden Telefon gegenüber gleichgültig am Schreibtisch saß, bellte sie nicht von oben aus dem Glaskäfig des Büros mit Beschimpfungen und stimulierenden Kündigungen an. Der große Lastwagen, der kaputt war, verrottete inmitten einer Menge Hausrat wie eine riesige Jugendstiltruhe mit Scheibenwischern, die Sprungfedern hüpften aus den ausgeweideten Polstern der Sitzbänke, jemand hatte die Armaturen mit einem Hammer zerstört, Mäuse verschlangen das Nappaleder und die Gummimatten, sie wanderten mit ihren schmalen Zähnen am zerbeulten Rand des Fensters entlang, um elf Uhr stieg die Buchhalterin eilig die Zementstufen hinauf, küßte ehelich die reglose Stirn des Alten, wechselte die Blume in der Vase aus, nahm Anrufe an, schrieb, die Nase auf dem Papier, Aufträge in den Kalender auf dem Pult, pumpte Asthma-Aerosol in Senhor Ilídios offenen Mund, erschien unter Getöse in der Tür, klatschte in die Hände, und wir kamen langsam näher, dicht an den rußigen, kaputten Wänden voll Löchern, Flecken, Ratschern, verblichenen Schimpfworten oder Beleidigungen oder Bleistiftzeichnungen, hörten die Anweisungen, die in einem angespannten, genervten Ton geschrien wurden, empfingen eine Ecke Zeitungspapier mit der Adresse, stapelten ein halbes Dutzend Stühle, kleine Tische, Rahmen in den Kleinlaster, kletterten mühsam die von Öl glitschige Rampe hinauf, auf der die Reifen seitlich wegrutschten wie Eiswürfel auf einer Metallfläche, und draußen erwartete uns die grimmige Sommersonne,
die die Bäume und die Häuser, die Ampeln der Stadt, die gefliesten Fassaden, die Statuen, die Markisen der Konditoreien mit ihren riesigen Lichtschuhen zermalmte, der Alte fuhr mit der üblichen eckigen Wut, der Stumme kratzte sich, zwischen uns beiden auf der Sitzbank versunken, den Bart am Kinn, und mein Onkel, der mir nicht aus dem Kopf ging, durchdrang uns, die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt, ohne uns zu sehen, mit dem Blick und blies aus dem offenen Mund einen kleinen anämischen kühlen Windhauch.
    – Habt ihr diese unerhörten Dinge in der Zeitung gelesen? fragte Inês’ Mutter empört. Daß sie das Geld der Reichen an alle verteilen wollen, daß die Katholiken sich werden scheiden lassen dürfen, daß sie dutzendweise politische Parteien gründen. Jaime, seien Sie so gut, und bringen Sie mir solche Schweinereien nicht wieder ins Haus, vor allem wenn auf der ersten Seite auch noch Fotos von gräßlichen Kommunisten sind.
    – Er war schon jemand ganz anderes, Herr Hauptmann, sagte der Soldat, er würde für immer jemand anders sein, und im Grunde war es genau das, denke ich, was ich am wenigsten akzeptieren konnte: mir fehlten sein Zorn, seine Wutausbrüche, diese merkwürdigen, grundlosen Haßanfälle. Er war weich geworden, ich

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