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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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dorthin, Ich habe einen unvergleichlich guten Schattenmorellenlikör in Moscavide entdeckt, enthüllte uns der Stumme, sollen die Kunden doch warten, vor Ungeduld mit den Füßen aufstampfen, während wir uns in miese, kleine, stinkige, dunkle Kneipen vergruben, mit Säufern, Zigeunern, Arbeitslosen, Gaszählerablesern mit speckiger Aktentasche unter der Achsel vor ekligen Stockfischkroketten und faden Oktopussalaten redeten, die auf der Zunge einen weichen Geschmack nach nassen Kinderknorpeln
hinterließen. Damals, Herr Hauptmann, nach ein paar Fingerhoch Erdbeerbaumschnaps oder nach drei oder vier Dezilitern Tresterwein verschwanden die Zahnschmerzen vollkommen, eine riesige, kosmische, brüderliche Fröhlichkeit ließ mich kriegerisch den überraschten unbekannten Typen umarmen, der in einer Ecke seine Martinimittagessen wegnuckelte, ich erbrach mich auf die nächstbeste Schulter, Essensreste, lila Membranen, beinahe ganze Kartoffeln, zerquetschte Fleischstücke, der Boden begann zu schwanken und sich schräg immer schneller um sich selbst zu drehen, ein innerer Sturm zwang mich, am Tresen, an den Stühlen, an den rutschigen, flüchtigen Tischecken Halt zu suchen, eine fürchterliche Qual bemannte mir ständig den Magen, die Stimmen des Stummen und des Alten erklangen zu nah oder viel zu weit weg, sie riefen Sätze oder Befehle oder Beschimpfungen, die ich schlecht verstand, jemand hielt ihn unter den Achseln fest, und die Hände, die ihn aufrecht hielten, schmerzten wie metallische Klammern, mit der Kälte im Freien wurden die Gegenstände etwas deutlicher, Autos, Fassaden, Gesichter, Hunde, Zellophanbäume, die wogten, Halt mich fest, ich kotz gleich wieder, bat er, und es war nur trockenes Würgen, nur Schwindel, nur ein Fädchen Sabber, das ihm am Kinn hing, nur ekelerregende Gerüche am Gaumen, nur die nassen Hosen, wobei er nicht begriff, wie es dazu gekommen war, er kletterte, von einer energischen Sohle angeschoben, in den Umzugslaster, und das Lenkrad und die Hebel und die Pedale wuchsen ihm übermäßig groß entgegen, Ich werde mir den Kopf an der Kurbel der Tür einschlagen, ich werde mir die Nase auf der Gummimatte am Fußboden zerquetschen, aber der Körper des Alten und der Körper des Stummen stützten ihn, verhinderten, daß er stürzte, daß er umfiel, der Motor ließ die Bank erzittern, und mir kullerten die Eingeweide unter stechend schmerzhaften Drehungen im Leib, ihn erschreckte das Gefühl, daß sie an jeder Kreuzung, an jeder Ecke, an jeder gigantischen Gebäudefassade den Wagen zu Klump fahren würden, und dann, ganz allmählich, mit dem Wind im Gesicht und den
Minuten, die wie Blutegel über die Uhr glitten, kehrte die Welt mühsam wieder in ihre üblichen Bahnen zurück, die Dinge wurden allmählich wieder kleiner, der befriedete Bauch beruhigte sich, er strich mit unsicherer Hand das Haar über den Ohren zurück, das Erbrechen hatte ein Ende, der ekelerregende Geruch hatte ein Ende, die Beklemmung hatte ein Ende, die Qual hatte ein Ende, die Reifen quietschten wie immer an der Einfahrt zum Lager, die Kühlerhaube hob sich wie die Schnauze eines Flugzeugs in die Luft, bevor sie die Rampe hinunterschlingerte, sie kamen am Käfig mit Onkel Ilídio drin vorbei, der am Schreibtisch saß und vor sich die gestikulierende Buchhalterin hatte und die Blume in der Vase dazwischen, Mir geht es schon besser, verdammt, ich kann mich schon wieder auf den Beinen halten, Berge von Möbeln durcheinander im Schatten, eine Birne ohne Lampenschirm hing an einem Kabelzopf von den halbfaulen Dachsparren, und die beginnende Nacht färbte diffus die Geometrie der Fensterrahmen blau: anfangs kurierte ich so die Zahnschmerzen der Sehnsucht, Herr Hauptmann, gelang es mir so, das Geräusch der Schritte der Hühner in Odetes Zimmer zu ertragen, die mit ihren Krallen die Hefte und die Papiere zerrissen, ohne Panik zusehen zu können, wie es im Garten Morgen wurde über dem Meer der Kohlpflanzen, die sich schwarz und silbrig gegen die eingestürzte verputzte Bretterwand abhoben und mit übereinanderliegenden metallischen Röcken in der ersten, schrägen, mühsamen Helligkeit des Tages glitzerten, talgig die schmerzhafte Schwellung der Wolken durchbrachen.
    – Die Buchhalterin ist gegangen, verriet unvermittelt der Stumme während des Mittagessens im ersten Stock des Lagers, wobei er die Gabel senkrecht in den Henkeltopf spießte wie den Haken, mit dem man in den Felsspalten nach Oktopussen fischt. Sie wollte

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