Fado Alexandrino
Leben geworden wäre, glücklich oder unglücklich, wenn das Bett im Schlafzimmer jubelndes Schlachtengeschrei ausgestoßen und nicht die lauwarme Zurückhaltung geherrscht hätte, in der die Körper sich bei gelöschtem Licht keusch näherten, ängstlich zu reglosen Schmetterlingsbegattungen nacheinander tasteten.
– Guten Tag, Herr Oberstleutnant, entschuldigen Sie bitte die Unordnung.
Das Lächeln (erinnerte er sich) mit dem Goldzahn vorn, der große, vorgestreckte Busen, der sichere, ironische, herausfordernde Blick: der Körper der Concierge war fülliger geworden, die Hüften dampften noch wie die eines Tieres, das plötzlich stillsteht, sie trug Plastikpantoffeln, hielt das Haar mit einem Fischverkäuferinnenkopftuch zusammen: Sonntags sah ich dich ins Kino gehen, und deine Stutenschenkel und deine festen, muskulösen Flanken stiegen in mir auf wie das Zittern von Begierde, das Schwindelgefühl eines, der sich zu schnell erhebt und sich fühlt, als segelte sein Kopf leicht wie eine Seifenblase, unabhängig vom Hals durch die dichte Luft dahin. Was war wohl aus dem Kind geworden? dachte der Oberstleutnant, als er an das dünne, blasse, ernste Kind dachte, das am Eingang des Gebäudes auf allen vieren eine kleine Holzeisenbahn schob. Gestorben, im Internat, beim Vater in Frankreich? Er begann wahllos durch die Zimmer zu schippern und wußte nicht, was er machen sollte (Was ist mit mir los, wo bin ich bloß?), von den Tangos aus dem Radio taub, sah er die Feuerwache, die Anlage, die Straßen, die steil zum Fluß abfielen,
den butterhellen Himmel auf den Dächern, leichte Wolken, die zugleich in seinem Blut umherfuhren, der verschämte, angenehme Kitzel, sich in Begleitung zu fühlen, in diesem Durcheinander, das mit alten Stichen und Sofas dekoriert war, auf deren Rücken und Armlehnen Häkeldeckchen lagen, während die Concierge lächelnd, strahlend und biegsam einen Eimer in die Kloschüssel ausgoß und, mit einer riesigen Flasche Pulver bewaffnet, die Badewanne säuberte, wobei sie die Kurve der Taille auf den Rand stützte. Um diese Zeit stellten sich die Abteilungen der Auszubildenden im Kasernenhof auf, und der Major bellte, die Hand hinter dem Rücken neben der Trompete, einem Wald von Gewehren Befehle zu.
– Wir hatten dreizehn Monate keine Frau gesehen, rechtfertigte sich der Soldat, indem er sich das Haar mit dürren Fingern aus der Stirn schob. Dreizehn Monate, Herr Hauptmann, dazu der Krieg und die Toten und der Mangel an Essen, der Mangel an Zigaretten und die Malaria und die Mäuse in der Kaserne, sagen Sie doch selber, das ist zu viel für jemanden, der zwanzig ist. (Noch eine halbe Stunde, und du bist blau, dachte ich, der billige Wein hat dich geschafft.) Heute, nur damit Sie es wissen, halte ich es ein Jahrhundert aus: Man macht Erfahrungen, kriegt ’ne dicke Haut am Hintern von all den Tritten, die man einfängt. Und daher ging ich, wenn ich mal wieder richtig spitz war, zum Wachposten im Eingeborenendorf, rief den erstbesten Neger, der sich zeigte, gab ihm zwanzig Escudos und sagte ihm, er soll gleich da die Hosen runterlassen, hinter dem Wellblech und dem Holz. Bei ’ner Maschinenpistole in der Rechten und ’nem Geldschein in der Linken macht noch jeder, was man ihm befiehlt, ganz langsam, still und nach vorn gebeugt, so hat’s zu sein. Zwanzig Escudos, Herr Hauptmann, zwanzig Escudos, damit ich im Arschloch eines blöden Niggers kam, während wir beide wie Blätter zitterten aus Wut und aus Ekel. (Und die Stille des Busches, sagte ich mir, der faulige Achselgeruch der Erde, die Öltuchbezüge über den Geschützen ohne Rückstoß, Männer in Uniform, die aufs
Geratewohl zwischen den Strohhütten umhergingen, eine uralte Schwarze, die in ein Tuch gewickelt auf erschöpfter Glut Eidechsen briet.) Jedesmal, wenn ich mich daran erinnere (die Haut an seinen Schläfen straffte sich, eine blaßlila Ader pulsierte auf der Stirn), fehlt nicht viel, das schwör ich Ihnen, daß ich gleich loskotze.
Der Oberstleutnant ging eine Weile verschreckt, verloren durch die Wohnung, versuchte so wenig Lärm wie möglich zu machen (doch die Dielen knarrten, doch die Sohlen knarrten, doch es knarrten wahrscheinlich sogar die Gelenke, und sein Atem kochte, knarrte plötzlich, erfüllte die gesamte Wohnung), während die Concierge auf Knien, nackt unter dem Kleid, die Fliesen schrubbte, die Sirene der Feuerwehr entrollte ihren Ruf, schwieg, ertönte wieder, Wo brennt es wohl? fragte die Frau laut, indem
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