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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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sie den Kopf zu ihm hob, die Brüste hoben und senkten sich prall unter der Kleidung, Bin ich noch imstande, fragte sich der Oberstleutnant, kann ich noch? Die Augen maßen ihn und forderten ihn heraus, die Sirene ertränkte Worte und Gesten mit ihrem spiralförmigen Heulen, die Stühle erzitterten, die Schränke erzitterten, die Fotos erzitterten in den Rahmen, die Nachttische erzitterten, das Bett erzitterte, und wir beide erzitterten, sagte er zu mir, ungeschickt, verwirrt, ungeschickt zwischen den Bettüchern, da waren zu viele Beine, Finger, Bauchfalten, Küsse, mir blieb die Luft weg, mein Vater jubilierte auf dem Invalidensessel, Die Jahre vergehen, Junge, die Jahre vergehen, die Fersen der Hausangestellten drückten mir in die Nieren, Nun komm schon, nun komm schon, der auf den Hals gestemmte Arm zwang mich, das Kopfkissen zu lecken, Ich werde sterben, dachte der Oberstleutnant in Panik, eine Feder wird in mir zerbrechen, er schloß die Augenlider, und die Ehefrau und die Concierge überlagerten sich zu einem einzigen schwankenden Bild, die Sirene kreiselte um sich selbst und verstummte mit einem kleinen Seufzer wie ein Licht, das ausgeht, und als er sich auf der Matratze umdrehte, um aufzustehen, als er sich aufsetzte, während das Blut noch immer
in seinem Bauch hüpfte, erkannte er erst im Spiegel des Kleiderschrankes und gleich darauf, indem er den Kopf wandte, im Türrahmen die Tochter, die ihn von der Schwelle her ansah und den Mund unendlich überrascht wie ein Kind mit der Hand bedeckte.

7
    Niemand in der Abteilung arbeitete in Uniform, und wären da nicht die paar Soldaten gewesen, die auf den stinkenden Korridoren an breiten majestätischen Schreibtischen zeitunglesend auf Bischofsstühlen saßen und auf Befehle warteten, hätte man meinen können, in irgendeinem alten, staubigen Büro in der Nähe des Flusses zu sein, gegen dessen geschlossene Balkone riesig die Cacilhas-Fähren und die Möwen prallten, während auf dem Fußboden die Zunge dreckigen Wassers, mit Unrat beladen, unzusammenhängendes Dielenächzen vor- und zurückschwappen ließ. Das Standbild König D. Josés in der Mitte des Platzes trabte reglos in Richtung Indien auf der Suche nach achtarmigen Konkubinen. Blinde Bettler verkauften unter den Arkaden Nutzloses und starrten die Leute mit dem lilienhaften Staunen ihrer Augäpfel an, und der Vorhang des Himmels klimperte am anderen Ufer mit den Handschuhfingern der Wolken.
    – Meine Arbeit dort, Herr Hauptmann? fragte der Funker, indem er mit dem Löffel von der Sahnecreme an das Weinglas schlug. Ich legte Akten an, ordnete Karteikarten ein, kratzte mich, langweilte mich zu Tode, versuchte vorsichtig, mongoloide, alte Leutnants und Unteroffiziere zu indoktrinieren, indem ich homöopathische Dosen Marxismus in ihre Erbsenhirne träufelte. Und ich trug zur klassenlosen Gesellschaft bei, indem ich mich damit abmühte, dem Reservemajor mittags die Vorzüge der Volksdemokratien zu erklären.
    Sie aßen in den engen Gassen, die den Platz umgaben wie ein Adernknäuel, das die Schwellung eines Tumors einwickelte, in winzigen, übelriechenden, schlecht beleuchteten Restaurants, deren Speisekarte mit Kreide auf die Tafel an der Wand geschrieben
war und wo ein ständiges Stimmengesumm im Halbdunkel schwamm. Der Tag hörte in diesen Rauchnebeln vollständig zu existieren auf, wo der Geruch von Gesottenem sich wie eine tausendfüßige Tarantel an die Haarsträhnen heftete, der Major hörte ihm willenlos zu und stocherte dabei in seinen Zähnen herum, ein Einbeiniger mit grandiosen Gesten und einer Nelke am Revers wanderte von Tisch zu Tisch und bot vergebens Lotterieharmonikas an, der Kellner nahm den Bleistift vom Ohr, um die Rechnung auf dem Tischtuch zu addieren, zog die völlig zerknüllten, verblichenen Scheine des Wechselgeldes aus einer Art Stofftasche unter der Schürze hervor: und dann wieder die Arkaden, die Statue, die kleinen, dicken Schiffe, die, ihre Schornsteinzigarillos in den Mund gerammt, an- und ablegten, ein verschlagener Typ, der, zu seinen Füßen die Mütze ohne Münzen, Akkordeon spielte. Den Begriff der Demokratie gibt es seit den Griechen, Herr Major, was heißen will, schon ziemlich lange, die Typen haben übrigens das Wort erfunden, stellen Sie sich das mal vor, alte Frauen bettelten, vor Dreck starrende Kinder, Zigeuner, Krüppel, die still das Elend ihrer Bein- oder Armstümpfe dem Volk darboten, das eilig zu den Schiffen trottete, oder anders gesagt, die Regierung

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