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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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liegenden rostigen Frachtschiffe, und ihn überfiel plötzlich das schwindelerregende Gefühl der Gleichgültigkeit der Welt ihm gegenüber, Ich habe plötzlich was, gebe den Löffel ab, und morgen ist auch noch ein Tag, und ich bin tot, den Leuten ist das piepegal, die gehen weiter zu ihrer Arbeit, die Stunden kreiseln auf den Uhren, die Kliniken füllen sich mit schreienden Schwangeren, und ich bin tot, so was Ungerechtes, tot wie die Toten im Krieg in den Särgen des Wagenmeisters, im Schuppen vom Lötkolben des Tischlers mit Blei versiegelt, warten sie aufeinandergestapelt in einer Ecke auf den Transport nach Lourenço Marques, und dort, bei den Lagern voller Uniformen, Saatgut, Zigarettenpackungen, Staub, das uralte Schiff, das unter klagendem Tuten in den Nieselregenmorgen nach Lissabon auslief.
    – Haben Sie sich mal die Augen von Toten genau angesehen,
Herr Hauptmann? fragte der Funker, während er einen Zahnstocherbehälter mit dem Ärmel auskippte. Sie reflektieren nichts, mein Freund, sind durchgebrannte Birnen, Glaskugeln, die zu keinem Licht mehr fähig sind: Stellen Sie sich bloß vor, mir passiert das, ich lieg da in Anzug mit Weste, die Hände auf dem Bauch, ein Tuch über dem Gesicht wie die Möbel im Sommer. Ich weiß nicht, wie das den anderen geht, aber wenn ich anfange, darüber nachzudenken, dann dreh ich durch.
    – Beim Begräbnis meiner Frau, verkündete der Oberstleutnant, während er mit der Handfläche ein Gähnen abwürgte, kamen etwa zwanzig Leute. Höchstens. Allerhöchstens. Der Priester galoppierte die ganze Zeit lang mit seinem Lateingebrabbel herum, und am Ende entschuldigte er sich bei mir dafür, so hastig durch die Zeremonie geeilt zu sein, denn er habe anschließend etwa acht Taufen, und der Arzt habe ihm geraten, seinen Blutdruck zu schonen. Sei’s drum, versicherte er mir mit kleinen Klapsen auf den Rücken, mit den Gebeten, die ich für sie gesprochen habe, ist sie direkt wie eine Rakete in den Himmel: vielleicht hat sie in der Ferne das Fegefeuer gesehen, aber keine Flamme hat sie angesengt, das schwöre ich Ihnen.
    Wenn sie weitertrinken, und sie werden weitertrinken, dachte ich und schaute ihre verstrubbelten Haare, die von Schweiß öligen Gesichter, die schlaffen, kraftlosen Gliedmaßen an, die sich auf dem Tischtuch hängend wie träge Rüssel bewegten, dann sind die demnächst auf allen vieren unter dem Tisch zugange, kotzen sich gegenseitig mit Schweinefiletresten voll, stolpern, rülpsen, schubsen sich gegenseitig in blinden Ziegenbockstößen, rollen unter Grunzen, Gemaunze, Kratzen und Keuchen auf dem dreckstarrenden Teppichboden. Ein Taxi hielt schließlich, der Soldat kämpfte hartnäckig mit zwei beharrlichen Gymnasiastinnen, von denen eine schielte und die beide wie Hühner flatterten, riß am Ende die Vordertür auf (das Schild NICHT RAUCHEN sprang ihm in die Augen wie der Glutfunken eines Kohlebeckens), setzte sich auf den grünen Plastiksitz neben den Zähler, der tickend zitterte,
hieß ihn mit matter, erschöpfter Stimme in die Rua da Alameda fahren.
    – Eine Kranke muß ins Krankenhaus gefahren werden, erklärte er dem Fahrer, einem mißtrauischen Insekt, das sich, auf dem Sitz gekrümmt, bemühte, die Zigarrenkiste mit dem Geld unter den mageren Beinchen zu halten. Die Frau meines Onkels ist gerade umgekippt.
    – Lebt sie denn wenigstens noch? fragte der andere und legte, das Lenkrad umarmend, einen schwierigen ersten Gang ein, der das Geräusch von Zink auf Zink eines Löffels machte, der mühsam das Angesetzte in einem Topf abkratzt. Falls Sie sich vor der Autopsie drücken wollen, will ich Ihnen gleich sagen, daß ich keinen Beerdigungswagen fahre.
    – Natürlich war es wie üblich, Herr Hauptmann, es war immer das übliche, sagte der Leutnant, indem er mit resignierten Schultern zuckte. Das Kind quengelte bis weiß ich wie spät herum, und ich fuhr schweigend und hatte eine wahnsinnige Lust, die beiden zu verprügeln, ihnen mit der Kurbel eins über die Rübe zu ziehen, das Blut aus den Ohrlöchern laufen zu sehen. So sauer, daß ich nicht einmal die Straße vor mir sah.
    Am Eingang zur Gasse schwoll bereits ein Haufen beschürzte Nachbarinnen, fliegende Händler und Kunden der nahe gelegenen Kneipe an, die, eine Zigarette im Mund, Warnungen und Ratschläge verteilten. Die Typen im gelben Blouson, die Kisten mit Erfrischungsgetränken von einem Lastwagen luden, sahen, eine Kiste auf der Schulter, zu und gaben einem Herrn mit Hut, der den

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