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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Stirnschweiß mit einem Taschentuch milderte, detaillierte Erklärungen. Die Fensterwitwen trillerten, den Kopf schräg gelegt wie Wellensittiche. Und die Gasse entlang, auf winzigen Plätzen, auf denen Blumen, schmale Fenster, Wäscheleinen zu erkennen waren, schaukelten uralte Männer in Pantoffeln auf Weidenstühlen.
    Das Taxi hielt, ohne den Motor abzuschalten, während der Fahrer unter Papiergedonner ein Hustenbonbon auswickelte, die
Leute öffneten schweigend eine Art Gasse bis zur Haustür, die Witwen hielten einen Augenblick lang inne und starrten mit dem scharfen Lack ihrer Vogeläuglein, der Mann mit dem Schweiß, dessen Scheitel über dem Ohr saß, zog respektvoll den Hut, und der Onkel erschien, in einem Jackett mit hochgestelltem Kragen über dem Unterhemd, in der Eingangshalle und knöpfte, auf Sommerschlappen schwankend, den Hosenstall zu.
    – Wir hatten eine Wahnsinnsmühe, sie ins Auto zu stecken, erzählte der Soldat, während er eine Streichholzschachtel unter einem halben, gasigen Lächeln auf- und zuzog: Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer die Alte war, Herr Hauptmann. Und dann war ständig ein Arm oder ein Bein übrig oder der Kopf, und es war eine gräßliche Geschichte, sie auf den Sitz zu kippen: wenn uns die Typen von den Erfrischungsgetränken nicht geholfen hätten, wären wir jetzt noch immer dabei.
    Doch schließlich paßte die ganze Familie rein, er und Odete hinten mit der Kranken, der sie mit einem feuchten Tuch den Nacken netzten, und der Besitzer von Umzüge Ilídio vorn, mit Hosenträgern, die über die zu weiten Hosen fielen, neben dem Fahrer, der mit einem Satz anfuhr, beinahe den Jungen von der Kneipe überrollte, der zwei verblüfften Soldaten haarklein den Unglücksfall erzählte. Er drehte sich um und sah im Fenster die Gasse, die sich im Dunkeln auflöste, während der Junge, der fuchsteufelswild mitten auf der Fahrbahn stand, ihnen mit beiden Händen frenetische Obszönitäten nachwarf.
    – Lebt sie noch? fragte der Taxifahrer ängstlich meinen Onkel, wobei er vorsichtig das Amulett aus Horn am Spiegel berührte. Denn wenn sie nicht mehr lebt, verliere ich eine Wahnsinnszeit im Krankenhaus, muß meinen Namen angeben, die Wagenpapiere zeigen, mit der Genehmigung unter der Nase rumwedeln, die Polizei am Eingang ertragen.
    Dona Isaura, die quer über uns lag, pfiff wie eine Kuh im Koma und strampelte hin und wieder, wobei sie mir die Rippen mit der spitzen Kante des Ellenbogens durchbohrte. Odete, die zwischen
ihre Mutter und die Tür gequetscht saß, drückte, nach hinten ausschlagend, einen riesigen Schenkel weg, um atmen zu können, und der graue Kopf der Kranken schaukelte wie der eines Porzellanchinesen dicht am Teppich des Taxis.
    – Ob sie lebt? rief der Onkel mit einem Protestschlag auf seine Brust, der sofort einen Hustenanfall auslöste. Wir bringen sie nur im Auto ins Krankenhaus, um ihr Pipi untersuchen zu lassen, verstehen Sie, das ist eine Macke, die wir hier im Viertel alle haben.
    Wieder die Gomes Freire, der Campo de Santana, umgeben von einer Mauer asymmetrischer, zerfallender Gebäude, die Statue, der griechische Pomp der Medizinischen Fakultät mit ihren häßlichen Säulen, eine Auffahrt, ein Tunnel, ein Mann in Uniform, der sie anhielt und sich dem Wagen mit dem gemessenen Schritt eines Kardinals oder Straußes näherte. Der Onkel wollte das Fenster herunterdrehen, doch die lose Kurbel blieb ihm in der Hand stecken, und schließlich tauchte er über den mickrigen Fahrer hinweg, der den sich in alle Unglücksfälle schickenden Märtyrerausdruck eines Altarbildes aufsetzte:
    – Wir bringen hier die im Sterben liegende Gattin des Kommandeurs der Guarda Republicana, flüsterte der Asthmatiker, als verriete er ein Staatsgeheimnis. Wir sind in Zivil gekommen, weil wir von der Geheimpolizei sind: die Familie will nicht, daß es bekannt wird.
    Der Strauß wich verblüfft und respektvoll einen Schritt zurück, Odete gelang es, indem sie noch stärker daran zog, sich vom Schenkel zu befreien, und der Körper rutschte wie ein halbvoller Weinschlauch, bis er unter einem schwachen Protestwinseln zwischen Vorder- und Rücksitz festklemmte. Der mit der Uniform gab ihnen mit einem komplizenhaften militärischen Gruß den Weg frei, das Taxi machte wieder einen Satz, als wären die Fersen des Fahrers mit Sporen gespickt, der Onkel warf zornig die Kurbel auf die Straße (Was für eine Scheißmühle haben Sie sich da angelacht, verflucht noch mal), während der

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