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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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nichts, nichts, nichts, nur ein anonymes, unbeständiges, grundloses Unwohlsein. Während sie Arm in Arm nebeneinanderlagen, hörten sie die Haushaltsgeräusche, den Staubsauger, das Telefon, Stimmen und jenseits der Fensterscheiben in weiter Ferne das Meer.
    – Ich habe fünf oder sechs Monate danach geheiratet, am Ende der Rekrutenzeit, sagte der Leutnant, während er mit dem Handgelenk die Narbe an der Stirn kratzte. Musik in der Kirche, tonnenweise Blumen, vierhundert Gäste, ein Wahnsinnsdurcheinander, und ich habe sie nie wieder so schön gefunden wie an dem Tag.
    Einige Wochen zuvor hatten sie die Familie des Leutnants nach Carcavelos bestellt, und der Alte schwieg trotz der Bemühungen von Inês’ Vater mürrisch, starrte, in seinem kichererbsenfarbenen Anzug geschrumpft, auf die Ecke eines Bilderrahmens: Wir möchten, daß Ihr Sohn bei uns arbeitet: und das bescheidene, unterwürfige, dankbare Lächeln der Mutter, die Grimasse einer Nähfrau, die in einer Schrankschublade eine höchst komplizierte, offensichtlich falsche Brosche entdeckt hatte, die wie ein Aneurysma im Ausschnitt der Bluse platzte. Deine Mutter, die Brüder deiner Mutter, die Freunde deiner Mutter sahen uns an, die kleine erschreckte Insel, die wir bildeten, sahen uns an
wie eine merkwürdige, im Aussterben begriffene Tierart, und ich begriff, daß die Alten, wenn sie gekonnt hätten, sich in die Küche gerettet und mit den Dienstboten gegessen hätten, begriff die in den Pupillen meiner Alten stehende Bitte um Entschuldigung dafür, in Amadora geboren zu sein, den ganzen Tag lang in Pantoffeln im Haus herumzulaufen, nicht Karten zu spielen, billige Zeitschriften zu lieben, nicht zu kennen, wen alle kannten. Doch Inês’ Eltern taten so, als bemerkten sie das nicht, die Gänge folgten ohne einen alles zertrümmernden Satz aufeinander (Haltet noch ein bißchen durch, in Gottes Namen, flehte ich schweigend, haltet noch ohne Grammatikfehler, ohne Zahnstocher, ohne verwechselte Verben, ohne den Kellner von Kopf bis Fuß anzuschauen, der euch mit komplizenhaften Blicken von gleich zu gleich bedient), und als das alles zu Ende war, kam deine Familie bis zur Tür, um uns zu verabschieden, und wir nahmen ein Taxi nach Hause, und Sie können sich die Erleichterung nicht vorstellen, die ich empfand, Herr Hauptmann, die Möglichkeit, wieder ruhig zu atmen.
    – Zu den Huren, wie früher, knurrte der Oberstleutnant nachdenklich ins Glas, zu den Nutten, um sich an den Krieg zu erinnern. Wenn wir schon ein dermaßen idiotisches Leben führen, warum eigentlich nicht, verdammt noch mal?
    – Und du hast nicht einmal gemerkt, daß die Revolution kam, fragte der Funker überrascht, nicht mal, daß die Unterhosen des Landes in den Nähten platzten?
    Nun ja, man merkte es nicht so recht, aber es fehlten immerhin noch ein paar Jahre, oder? Er war in den Krieg gezogen, war aus dem Krieg zurückgekommen und nichts: man redete darüber in Afrika nicht, man redete darüber in Lissabon nicht, Inês schrieb in ihren Briefen nach Mosambik fast nur über Mariana, über Marianas Scherze, über Marianas erste Worte, über Marianas Mittelohrentzündungen und Anginen und ihr Erbrechen und ihre Appetitlosigkeiten, seine Mutter klagte über Rückenschmerzen und versicherte, der Vater würde ihm zwar nicht schreiben,
du kennst ihn ja, aber immer an ihn denken, Du bist der einzige Sohn, den wir haben, von der Revolution aber hatte man nichts gemerkt, erst als sie kurz bevorstand und die Familie seiner Frau begann, hastig Geld nach Deutschland und in die Schweiz zu transferieren, sich der Versicherungsgesellschaften für einen Apfel und ein Ei zu entledigen, mit der Bank handeln wollte, als er einen Mondschein von Bangigkeit auf ihrem Gesicht sah und sie verblüfft, fragend anschaute, ohne zu begreifen, wieso, bis sein Schwiegervater ihn zu sich ins Arbeitszimmer rief, den Fernseher ausmachte, sich mit dem Rücken zum Mahagonischrank der Bar setzte und die Eiswürfel im Whiskyglas in seiner Hand kastagnettenklapperten, bis er ihm einen der Sessel in der Bibliothek voll Enzyklopädien und Stichen mit Jagdszenen anbot, seinen harmlosen, üppigen Oberkörper zu ihm herunterbeugte und mit der üblichen gepreßten, verrückten Stimme flüsterte, Wir sind im Arsch, die Kommunisten kommen.
    – Ich finde, ja, zu den Nutten, wenn Major Ribeiro aufhört Reden zu schwingen, hauchte der Oberstleutnant in das Erdbeerbaumschnapsglas. Eine Nacht wie die in Mosambik und die Pistole auf die

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