Fächergrün
eingesetzt und gemeinsam bestimmt, dass dieser Sohn einmal das gesamte Vermögen bekommen soll, egal, wer von den beiden zuerst stirbt.«
»Gleichzeitig zu sterben, hatten sie vermutlich nicht vor«, kommentierte Oskar Lindt trocken.
»Wenn ich richtig gerechnet habe«, meinte Paul, »dann müsste der Erbe jetzt 35 Jahre alt sein. Wohnt er denn auch hier in Karlsruhe?«
»Es war gar nicht so einfach, ihn ausfindig zu machen. Im Testament steht nur: Udo Kern, geboren am 24. Dezember 1975 in Karlsruhe.«
»Ein echtes Christkind also.«
»Ja, Chef, nur dass man von einem heiligen Lebenswandel überhaupt nicht sprechen kann. Der hat bereits drei Mal gesiebte Luft geatmet.«
»Knast?«
»Die JVA Bruchsal nennt er wohl seine zweite Heimat. Schwere Körperverletzung und zwei Mal Einbruchdiebstahl.«
»Schau an, einer unserer Kunden wird plötzlich ganz legal zum reichen Mann.«
»In seinen Kreisen ist er nur als ›Der Schlosser‹ bekannt. Den Beruf hat er tatsächlich erlernt und es darin auch zu enormen Fähigkeiten gebracht. Egal, ob Autos, Haustüren, Tresore – Schlösser aller Art waren oder sind seine Leidenschaft.«
»Dann betreibt er jetzt bestimmt einen Schlüsseldienst«, zwinkerte Paul Wellmann.
»Das nicht, aber er schraubt in einer Autowerkstatt in Gernsbach. Nichts Auffälliges, zumindest sagen das unsere Rastatter Kollegen. Die kennen seine Vorgeschichte und werfen öfter ein Auge auf ihn, doch seit er das letzte Mal eingekastelt war, hat er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen.«
»Wie lange ist das her?«
»Sieben Jahre«, antwortete Sternberg. »Das lässt doch hoffen.«
Lindt blieb skeptisch: »Vielleicht wurde er bloß nicht erwischt, wer weiß.«
»Auf jeden Fall hat unsere Soße eine neue interessante Zutat bekommen«, fasste Paul Wellmann zusammen. »Den Schlosser. Nummer drei auf der Liste. Ich denke, wir müssen allen intensiv auf den Zahn fühlen.«
»Weiß der Autoschrauber schon von seinem Glück?« Lindt schaute zu Sternberg.
Der blätterte in einem Schnellhefter. »Ich hab alles per Fax bekommen. … Nee, das ist noch brandneu – ging bestimmt noch nicht zur Post. So schnell arbeitet das Nachlassgericht kaum, aber zur Sicherheit ruf ich bei denen noch mal an.«
»Kannst du von unterwegs machen«, sagte Lindt und winkte der Kellnerin. »Wir beide nutzen das Überraschungsmoment und fahren jetzt ins Murgtal. Paul darf alleine weiter in den Akten wühlen.«
Nachdem sie Wellmann wieder in der Oststadt abgesetzt hatten, steuerten Lindt und Sternberg über die Autobahn in Richtung Schwarzwald. Bei Rastatt fuhren sie ab und erreichten nach einer Viertelstunde die Flößer-, Holzhändler- und Papiermacherstadt Gernsbach im unteren Murgtal. Sternbergs Navi führte sie exakt vor die Tore von ›Knoll – Fahrzeugservice‹.
»Freie Werkstatt«, konstatierte Jan. »Je teurer die großen Autohäuser werden, umso mehr Zulauf haben solche kleinen Firmen.«
Auch Lindt schaute sich um: »Scheint alles recht neu zu sein. Nichts von wegen schmuddeliger Hinterhof-Klitsche.«
Sie betraten den hell verglasten Eingangsbereich. Autoradios, Batterien, Reifen und Sitzbezüge waren ausgestellt und zwei gebrauchte, blank polierte Mercedes SLK warteten auf solvente Käufer. Durch große Scheiben konnten die zwei Kriminalbeamten in den abgetrennten Werkstattbereich schauen, wo sich zwei Mechaniker gerade im Motorraum eines japanischen Geländewagens zu schaffen machten. An der Theke wurden sie von einem weißhaarigen Mann freundlich empfangen. Sein Arbeitskittel trug das Emblem eines großen französischen Reifenherstellers. ›Oswald Knoll‹, der Aufnäher an der Brusttasche ließ den Seniorchef vermuten.
»Wir hätten gerne Herrn Kern gesprochen, Udo Kern, der arbeitet doch hier«, sagte Lindt, ohne sich weiter vorzustellen.
Das Lächeln im Gesicht des Meisters verschwand schlagartig. »In welcher Angelegenheit, wenn ich fragen darf?«
»Persönlich«, antwortete der Kommissar. »Das möchten wir ihm gerne selbst sagen.«
»Hat das nicht Zeit bis nach der Arbeit? Er ist gerade an einem Terminauftrag. Um fünf hat er Feierabend.«
»Tut mir leid. So lange können wir nicht warten.«
Oswald Knoll schaute Lindt und Sternberg prüfend an: »Polizei?«
»Weshalb fragen Sie?«
»Weil …«
Der Kommissar hielt ihm den Dienstausweis vor die Nase.
»Hat er was ausgefressen?«
»Nur ein paar Fragen.«
»Hören Sie«, Knoll wurde rot im Gesicht, »der Udo … ich meine, wir
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