Fächergrün
ein großes, grün gestrichenes hölzernes Hoftor, vor dem sich der Leiter der Pressestelle der Karlsruher Polizei und der zuständige Staatsanwalt aufstellten, um ein Statement abzugeben. Oskar Lindt und Ludwig Willms flankierten die beiden, sollten jedoch lediglich für fachliche Nachfragen zur Verfügung stehen.
»Vor einigen Tagen«, begann der Pressesprecher, »geschah hinter diesem Tor hier«, er klopfte auf das Holz, »im Hof hinter dem Tor ein schweres Verbrechen. Die beiden Eigentümer dieses Hauses fielen einem heimtückischen Giftanschlag zum Opfer. Seither ermittelt die Mordkommission unserer Kriminalpolizei unter Hochdruck und konnte nun aufgrund aktueller Untersuchungsergebnisse einen entscheidenden Schritt nach vorne tun.« Mit den Worten »Das weitere Vorgehen wird der Herr Staatsanwalt erläutern«, übergab er an Conradi.
»Wir haben uns entschlossen, die Öffentlichkeit um ihre Mithilfe zu bitten, denn bei der eingehenden Untersuchung des Anwesens wurde ein weiterer Fund gemacht.« Er öffnete das Tor und zog das ganze Geschwader mit hinein in den Hof des Maiwald’schen Anwesens.
Hinter einem rot-weißen Absperrband parkte der hellgraue Transporter der Kriminaltechnik mit hochgestellter Heckklappe und offenen Schiebetüren, um den Kameras einen öffentlichkeitswirksamen Blick auf das teure Equipment zu ermöglichen. Drei Techniker in weißen Kapuzenoveralls trugen schwere Alukoffer nach hinten durch eine große, grüne Stahltür und kamen mit undurchsichtigen blauen Kunststoffsäcken – offensichtlich mit Inhalt – zurück, um sie in einer voluminösen Box am Heck des Transporters zu verstauen.
Conradi ließ der Pressemeute eine gute Viertelstunde Zeit, das Geschehen aus gebührendem Abstand festzuhalten, danach stellte er sich vor dem alten grünen Lastwagen der Baufirma Maiwald auf, um weitere Erklärungen abzugeben. »Unter diesem Lagerschuppen gibt es einen weitläufigen Keller. Dort wurden Teile einer weiblichen Leiche gefunden«, begann Conradi, und das war nicht einmal ganz gelogen, denn auf die Blutkoagel im Abfluss traf die Bezeichnung ›Leichenteile‹ durchaus zu – natürlich nur, falls der zugehörige Mensch auch wirklich tot war.
»Durch umfangreiche Spezialuntersuchungen, insbesondere durch die Analyse der vorgefundenen DNA, konnte die Identität der Person ermittelt werden. Es handelt sich um eine 47-jährige Frau aus dem Raum Mannheim, eine deutsche Staatsbürgerin italienischer Abstammung, der mehrere Tötungsdelikte zur Last gelegt werden. Unter anderem wird sie verdächtigt, vor mehreren Jahren einen italienischen Geschäftsmann in einem Nobelhotel im Schwarzwald heimtückisch ermordet zu haben. Direkt nach der Tat war die Frau untergetaucht und galt seither als verschollen.«
»Hat sie auch die beiden Hausbesitzer auf dem Gewissen?«, meldete sich der Reporter von RTL.
»Mit Sicherheit nicht, denn die vorgefundenen Überreste sind«, Conradi zögerte, »lassen Sie es mich so formulieren, älteren Datums.«
»Zerstückelt?«, wollte ein Redakteur der BILD-Zeitung wissen. »Zerhackt, zersägt, oder wie müssen wir uns das vorstellen?«
Conradis Gesichtsfarbe bekam einen leicht rötlichen Ton. »Sie sehen ja die blauen Tüten, die nach und nach aus dem Keller hochgebracht werden. Sie sehen auch die Gesichtsmasken, die die Kriminaltechniker tragen. Mit weiteren unappetitlichen Einzelheiten möchte ich Sie lieber verschonen. Ich selbst habe mich auch mit einer detaillierten Schilderung begnügt.«
»Unsere Leser sind hart im Nehmen«, antwortete der Journalist. »Sie dürfen ruhig präziser werden.«
Conradi schüttelte den Kopf: »Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich momentan leider nichts Genaueres preisgeben.«
»Lag die Person einfach so im Keller rum oder war sie versteckt, zugedeckt, in einer Kiste, in einem Schrank oder gar eingemauert, schließlich ist das hier ja eine Baufirma?«
»Auch dazu kann ich noch keine Details nennen, nur so viel: Nach dem Mord an den beiden Hausbesitzern wurde das gesamte Anwesen Zug um Zug durchsucht. Aufgrund der dabei gesicherten Spuren kam es zum Einsatz von speziellen Verfahren, die schließlich zu dem Ergebnis führten, das wir Ihnen heute vorstellen können.«
»Früher nahm man für so was einfach Suchhunde«, meldete sich der Korrespondent des Südwestrundfunks. »Welche Verfahren haben Sie hier angewandt?«
Hilfe suchend schaute Tilmann Conradi zu Ludwig Willms, der daraufhin einen Schritt nach vorne machte,
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