Fächergrün
draus?«, wollte Lindt wissen. »Etwas Suppengrün rein, einmal aufkochen und dann langsam simmern lassen.«
»Flädlesuppe gefällig? Prima Idee, Oskar. Ab in die Kantinenküche.«
Den Abend verbrachte Hauptkommissar Oskar Lindt überwiegend vor dem Fernseher. Insgesamt fünf Mal schaute er sich in den RTL-Nachrichten und der Landesschau des SÜDWEST Fernsehen die Zweiminutenbeiträge aus dem Oststadt-Hof an.
Dabei stach es ihm immer mehr ins Auge: Grün! Die Farbe Grün dominierte ganz eindeutig in den Sendungen. Das Hoftor, der Lastwagen, die Stahltür, der Mercedes – ob die Farbe der Hoffnung die Kameraobjektive besonders angezogen hatte? Oder die Farbe der Gier?
»Meinst du, es bringt was?«, fragte Carla, als gerade wieder Tilmann Conradi gezeigt wurde, wie er die Taten der Calabrone im trockenen Amtsdeutsch – ›eine deutsche Staatsbürgerin italienischer Abstammung, der mehrere Tötungsdelikte zur Last gelegt werden‹ – beschrieb.
»Davon bin ich überzeugt. Zum einen sieht die Öffentlichkeit, dass wir schon gut vorwärts gekommen sind, und zum anderen haben wir zumindest die Chance, jemanden aufzuscheuchen.«
»Ob der euch dann auch ins Netz geht?«
»Das will ich hoffen. Zumindest, was die Zusammenarbeit mit Frank Bauer anbelangt, bin ich ganz optimistisch. Die ziehen voll mit und haben ein paar wirklich effektive Horchposten in der OK-Szene. Unser Erfolg wäre genauso ihr Erfolg.«
Ein sehr zweifelhafter Erfolg stellte sich in der Frühe des Dienstagmorgens ein: »Gut getroffen«, sagte die Bäckersfrau zu Oskar Lindt, als er Frühstücksbrötchen holen wollte, und deutete auf die Boulevardzeitung auf dem Ladentisch. »Was war denn jetzt wirklich drin?«
Der Kommissar merkte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete und schnappte sich schnell ein Exemplar. Stöhnend trat er drei Schritte zurück und sank auf den Stuhl, der eigentlich für gehbehinderte Menschen in der Ecke stand.
Das war der GAU, der Mega-GAU! Unglaublich! Er zitterte, als er das Blatt in der Hand hielt und las: ›So führt die Polizei die Presse hinters Licht: Frische Kalbsknochen als alte Leichenteile deklariert!‹ Darunter ein Foto, auf dem Conradi, Lindt, Willms und der Pressesprecher zu sehen waren, wie sie alle interessiert in einen blauen Müllsack schauten. Keine Spur von Ekel in den Gesichtern, stattdessen ein besonders breites Grinsen des KTU-Chefs!
Verheerend, wie konnte das geschehen?
Damit, und das wurde Lindt im selben Moment schlagartig bewusst, damit war der Täuschungsversuch offensichtlich und möglicherweise der ganze Plan zerstört.
Falls die Berichte tatsächlich einen aus der OK-Szene aufgeschreckt hätten, würde der sich jetzt ins Fäustchen lachen und schön gemütlich in Deckung bleiben.
Der Kommissar las den Artikel mehrmals durch. Besonders die Bildunterschrift eines Fotos war fatal. Der KTU-Transporter war darauf von hinten zu sehen, wie er gerade durch das breite Tor in den Hof des Polizeipräsidiums bog. ›Befindet sich die Rechtsmedizin seit Neuestem in der Beiertheimer Allee oder werden hier Lebensmittel für die Polizeikantine angeliefert?‹
Woher, zum Kuckuck, wusste der Verfasser dieses Artikels, dass Kalbsknochen in den blauen Säcken waren? Ein Maulwurf im Kantinenpersonal? Umgehend würde er sich die Mitarbeiter vorknöpfen.
»Vier Brötchen und dieses Blatt hier!«, bestellte Lindt und knallte die Zeitung auf die Ladentheke. Sein Gesichtsausdruck war dabei anscheinend so abschreckend, dass die Bäckersfrau nicht wagte, ihre Frage erneut zu stellen.
»Da ist wohl was gründlich in die Hose gegangen«, hörte der Kommissar nur noch halblaut, als er im Hinausgehen die Ladentür schon fast wieder hinter sich geschlossen hatte.
»Oh, oh«, war Carlas Reaktion beim Frühstück, aber nachdem Oskar verbissen geschwiegen hatte, blieb es bei diesen Worten zum Thema Zeitungsbericht.
Ganz anders um halb acht im Präsidium. Auch Ludwig Willms hatte irgendwie von der Panne erfahren und kam dem Kommissar bereits auf dem Flur entgegen. Genauso wie Frank Bauer, der mit einer unter den Arm geklemmten Zeitung um die Ecke bog. Gemeinsam traten sie in das Büro, wo Paul Wellmann und Jan Sternberg mit bedenklicher Miene an ihren Schreibtischen saßen.
»Wir sind zum Gespött der ganzen Karlsruher Polizei geworden!«, polterte KO-Bauer los.
»Karlsruhe? Quatsch, darüber lacht ganz Deutschland. Von Flensburg bis nach Mallorca«, ereiferte sich der KTU-Chef, der auf dieser
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