Fächertraum
weg.
»Nur mit Handschuhen, Oskar. Beweismittel gehören erst mal mir.«
Demonstrativ drehte sich Lindt zur Seite: »Paul und Jan, ihr beiden fahrt hin. Holt euch die Adresse bei diesem Herrn dort. Mit mir kommuniziert er heute nicht so gerne.«
Dann wandte er sich doch wieder an Willms: »Alles auf den Kopf stellen! Im Lager, im Laden, auf dem Hof. Auf jede Kleinigkeit achten!«
Der KTU -Chef lächelte: »Schau, Oskar, dort kommt schon das zweite Team. Die nehmen sich den Laden vor. Wir arbeiten gründlich wie immer, aber es wäre schön, wenn du unsere Berichte zur Abwechslung auch mal lesen würdest.«
Lindt blies ihm eine Rauchwolke ins Gesicht und ließ ihn stehen.
4
Er nahm den engen Durchgang bis zur Schillerstraße in Augenschein, suchte nach Reifenspuren eines Motorrades und lief dabei dem Streifenpolizisten in die Arme, den er zum Klinkenputzen geschickt hatte. Eine ältere Frau, die eine weinrote Jacke über ihre Kittelschürze gezogen hatte, war bei ihm.
»Sechs Wohnungen insgesamt, von denen man in den Hof sehen kann, aber nur sie hat mir aufgemacht.«
»Was denken Sie denn?«, unterbrach ihn die Frau resolut, »die sind doch alle im G’schäft, jetzt mitten am Nachmittag. Und bei mir stehn noch die Kartoffeln auf dem Herd, also viel Zeit hab ich net.«
Sicherlich eine gute Zeugin, dachte Lindt und fühlte, wie seine Stimmung wieder besser wurde. Er stellte sich vor und lächelte die Frau an: »Darf ich mit zu Ihnen nach oben kommen? Nicht, dass noch was anbrennt.«
»Von mir aus«, zuckte sie mit den Schultern und ging voraus. »Kommen Sie halt.«
»So«, sagte die Frau und schloss im zweiten Stock die Wohnungstür auf. ›Ettlinger‹ las Lindt auf dem Klingelschild. »Am besten gleich in die Küch’.« Auf dem Tisch tickte eine Eieruhr. »In zehn Minuten muss ich abgießen.«
Der Kommissar stellte sich an die Spüle und warf einen prüfenden Blick durchs Fenster. »Von hier aus können Sie den ganzen Hof überblicken.«
»Fast alles«, korrigierte sie ihn. »Und auch nur, wenn ich zufällig hier zu tun hab. Oder denken Sie, ich steh den ganzen Tag am Fenster? So viel Interessantes gibts in dem Dreck da unten auch wieder net zu sehen.«
Lindt lächelte wieder: »Dann haben Sie gar nicht mitbekommen, was passiert ist?«
»Vorhin, als es geknallt hat? Im Wohnzimmer war ich, am Telefon. Dort gehen die Fenster nach vorne zur Straß’ raus.«
»Dann sind Sie gleich hierher?«
Die Frau zeigte zur Anrichte, wo ein Schnurlostelefon lag. »Sofort, mit dem Apparat am Ohr. ›Ein Schuss! Das war ein Schuss‹, hab ich zu meiner Cousine g’sagt, die war grad dran. Sie können sie gern fragen. Die muss den Knall durchs Telefon g’hört haben. Ein richtiger Brecher, tief und dunkel.«
Der Kommissar war erstaunt: »Das haben Sie erkannt, zwei Zimmer weiter?«
»Die Türen waren offen und das Küchenfenster auch. Aber nach vorne haben wir Schallschutz, da hören Sie nichts.«
»Nur ein Kracher?«
Sie nickte. »Einmal, dumpf, rumms. Da hat wer mit einer Flinte geschossen. Garantiert. Kein so helles ›Pätsch – pätsch‹ wie aus einer Pistole.«
Lindt zog die Augenbrauen hoch: »Sie kennen sich aber gut aus!«
»Verdächtig bin ich deswegen ja wohl net? Oder?«
Er betrachtete ihre geblümte Schürze. »So hab ich mir schon immer den typischen weiblichen Profikiller vorgestellt. Aber Spaß beiseite, woher wissen Sie so gut Bescheid?«
»Von daheim natürlich. Ich stamm von der Hardt, aus Friedrichstal. Schon als Kinder waren wir mit dem Vater auf der Karnickeljagd – als Treiber natürlich. Das Geknalle, das vergisst man net, und dreimal können Sie raten, wer die Viecher später hat abziehen müssen.«
»Aber geschmeckt haben sie sicher gut?«
»Tun sie immer noch. Mein Bruder bringt uns ab und zu mal eines vorbei.« Sie griff eine von zwei dunklen Weinflaschen im Küchenbüfett: »Zum Schmoren nehm ich immer den roten Franzos’. Da brauchts nichts Teures. Mein Mann mag so ein Karnickel auch ganz gern, außer wenn er auf ein Schrotkorn …«
Der Küchenwecker unterbrach sie. »Moment, meine Kartoffeln.« Routiniert goss die Frau das Kochwasser ab und schob den Topf dann auf dem Herd nach hinten. »Zum Nachdämpfen.«
Fast hätte Lindt vergessen, dass er nicht hergekommen war, um über Kaninchen im Schmortopf zu sprechen, sondern um eine Zeugin zu vernehmen. »Nach dem Schuss sind Sie also gleich hierher ans Fenster«, begann er.
Die Frau nickte. »Sofort.«
»Und dann?«
»Sie
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