Fächertraum
schmuddligen Ecken des Hofes aufmerksam.
»Du meinst, eines aus diesem Schrotthaufen da hinten? Da nehmen wir lieber erst mal das Rad unter die Lupe, das hinten im Lager steht.«
»Wie, ein Fahrrad da drin bei den Matratzen?«
Lindt und Willms schlängelten sich, so gut es ging, an den beiden Mitarbeitern der Spurensicherung vorbei, die immer noch im Eingangsbereich des Lagers beschäftigt waren. »Ganz an der Wand entlang bitte, da sind wir schon fertig.«
Die aufgestapelten Matratzen und Säcke mit Bettdecken ließen nur einen schmalen Gang frei, an dessen Ende ein mattschwarzes Mountainbike lehnte.
»Sieht deutlich besser aus als die rostigen Drahtesel dort draußen«, kommentierte Willms.
»Also bitte, falls du auf mein gutes Dreigangrad anspielst, das ist zwar alt, aber noch top in Schuss«, protestierte Lindt.
Willms spöttelte: »Für dich, Oskar, genau das Richtige, aber wer etwas sportlicher unterwegs sein will, der muss schon so was nehmen.« Er klopfte mit der flachen Hand auf den Sattel: »Echt Leder, passt sich deinem Hintern wunderbar an.«
»Fürchterlich hart«, fühlte Lindt. »Muss man wohl erst einreiten, und wenn der mal nass wird … aber sag, wozu braucht ein sportlicher Fahrer denn solche großen Satteltaschen?«
Willms zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, schauen wir halt mal rein.« Er streifte sich Einmalhandschuhe über und öffnete die Verschlüsse.
»Leer!«, meinte Lindt enttäuscht. »Und auf der anderen Seite?«
»Auch nichts.« Willms tastete nach unten. »Nur ein paar Krümel.« Er zerrieb einige mikroskopisch kleine Schmutzpartikel zwischen seinen Fingern. »Der wird halt eingekauft haben, auf dem Markt vielleicht. Kartoffeln im Netz, Gemüse im Zeitungspapier, was weiß ich.«
»Dort hängt noch ein Rucksack.« Lindt deutete zu einem Wandhaken. »Nehmt alles genau unter die Lupe, bitte.«
»Selbstverständlich, Oskar, kein Problem. Für dich finden wir heraus, von welcher Kartoffelsorte die Erdbrösel in der Satteltasche stammen oder in welcher Ausgabe der BNN die Bohnen eingewickelt waren. Wir haben ja Zeit im Überfluss. Vielleicht sollen wir noch diese 50 originalverpackten Matratzen aufschneiden und die 200 Daunenkissen durchwühlen? Vielen Dank, großer Kommissar, du bist immer so gut zu uns!«
Lindt wandte sich wortlos ab und verließ den Ort des Schreckens wieder. Auf den Stufen zur hinteren Ladentür zog er eine Fußmatte heran und setzte sich.
5
Eine Schrotladung direkt ins Gesicht – keine alltägliche Methode, jemanden ins Jenseits zu befördern!
Wieso ins Gesicht? Bestraft man so einen Verräter?
Wem schießt man das Gesicht weg? Einem Abtrünnigen, der nicht spurt?
Wer ist mitten in Karlsruhe mit einer Schrotflinte unterwegs? Pumpgun? Abgesägte Läufe?
In Norddeutschland gab es vor einigen Jahren mal einen ähnlichen Fall. Zwei italienische Clans …
Sollte er das LKA einschalten? Abteilung für Organisierte Kriminalität?
War es die Russenmafia?
Das Handy riss ihn aus seinen Gedanken.
»Der ist sauber, keine Einträge«, meldete sich Jan Sternberg. »Anfang der Neunziger aus Polen übergesiedelt. War längere Zeit in Berlin. Vor ein paar Jahren kam er nach Karlsruhe und hat sich das Reihenhäuschen im Kirchfeld gekauft.«
»Wo ihr euch gerade umschaut?«
»Ja, aber auf den ersten Blick gibt es nichts Auffälliges hier. Allerdings – die Frau mit den beiden kleinen Kindern soll angeblich vor ein paar Wochen ausgezogen sein.«
»Sagt wer?«
»Mehrere Nachbarn, Paul ist noch dran.«
»Adresse rausfinden und hinfahren.«
»Okay, Chef. Sollen wir warten, bis die Technik kommt?«
Lindt überlegte kurz: »Habt ihr eine Streife dabei?«
»Können wir anfordern.«
»Dann macht das – oder nein, ich schicke euch einen Zivilwagen, der kann das Haus mal eine Weile beobachten.«
Der Kommissar legte auf, drückte die Kurzwahl der Zentrale und gab entsprechende Order.
Nachdenklich zündete er dann die Pfeife wieder an und begann, die wichtigsten Fakten in seinem Notizbuch aufzulisten. Massig und nahezu unbeweglich saß er auf den Stufen, nur seine Augen wanderten im verwaschenen Grau des Innenhofes umher. Ab und zu blies er eine Rauchwolke in die hereinbrechende Dämmerung, gelegentlich schrieb er ein paar Worte.
Allmählich spürte er die Kälte des Betons, blieb dennoch sitzen. Erst als die Pfeife leer geraucht war, erhob er sich steifbeinig.
Er ging ein paar Schritte, dann blickte er nach oben zu den Wohnungen. Vereinzelt brannte Licht,
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