Faenger des Gluecks
Billings hatte ihre Grundsätze. Doch Brooke hatte sie nie ganz widerstehen können. Ein ungezogenes Ding, hatte sie vor einem Jahrzehnt bei ihrer ersten Begegnung gedacht, und bei dem Urteil war sie geblieben. Vielleicht war das der Grund, warum Billings Brooke so zugeneigt war.
»Ich bevorzuge Cricket«, antwortete sie freimütig. »Ein zivilisierteres Spiel.« Sie reichte Brooke das Glas.
»Können Sie sich Claire auf einem offenen Tribünenplatz vorstellen?«, fuhr Brooke fort. »Von schreienden, schwitzenden Fans umgeben, während sie eine Horde von erwachsenen Männern beobachtet, die nach einem kleinen Ball schlagen und im Kreis herumrennen?«
»Wenn ich mich nicht irre«, meinte Billings langsam mit wiegendem Kopf, »ist doch etwas mehr an dem Spiel.«
»Sicher, Punkte holen und Aufsteigen und Ausscheiden und Ausschreien.« Brooke seufzte tief. »Wer steigt schon bei den Regeln dieses Spiels durch? Ist aber auch egal.« Brooke zuckte die Schultern und nahm einen großen Schluck Wasser. »Claire wünscht, dass ich mir diesen Burschen in Aktion ansehe, um mich inspirieren zu lassen.« Sie kreiste mit einer Fingerspitze über den Rand des Glases. »Was ich wirklich brauche, ist etwas Anständiges zu essen.«
»Du kannst dort einen Hot Dog und Bier bekommen«, verkündete Claire von der Tür.
Brooke brach in schallendes Gelächter aus. Claire sah elegant aus in der hellen Leinenhose, der bedruckten Bluse und Schuhen aus feinstem Leder. »Du gehst zu einem Baseballspiel«, erinnerte Brooke sie, »nicht in ein Museum. Und ich hasse Bier.«
»Wie schade.« Claire überprüfte den Inhalt ihrer zu den Schuhen passenden Ledertasche, die sie dann zuschnappen ließ. »Gehen wir, wir wollen nichts versäumen. Gute Nacht, Billings.«
Brooke kippte den Rest des Wassers hinunter, sprang hoch und rannte hinter Claire her. »Lass uns unterwegs anhalten und etwas essen«, schlug sie vor. »Schließlich verpassen wir nicht den ersten Akt einer Oper, und ich musste das Mittagessen auslassen.« Sie setzte den Blick des verlassenen Waisenkindes auf. »Du weißt, wie ungenießbar ich bin, wenn ich auf ein Essen verzichten muss.«
»Wir werden dich vor die Kamera stellen, Brooke, deine schauspielerischen Leistungen werden immer besser.« Mit einer gemurmelten Bemerkung über Brookes kleinen Wagen zwängte sich Claire hinein. Sie wusste, Brookes Besessenheit für reguläre Mahlzeiten war auf ihre entbehrungsreiche Kindheit zurückzuführen. »Zwei Hot Dogs«, schlug sie vor und schnallte sich an. »Es sind fünfundvierzig Minuten zum Stadion.« Claire drückte ihr mit Silberstreifen durchzogenes brünettes Haar zurecht. »Also schaffst du es in fünfundzwanzig Minuten.«
Brooke fluchte und fuhr los. Dreißig Minuten später suchte sie einen Parkplatz vor dem Stadion.
Sie folgten der Menge, die aufs Stadion zuschwärmte. Es roch nach erhitztem Asphalt, schlechter Luft und menschlichen Ausdünstungen – Los Angeles im August. Dämmerung überzog den Himmel, und die Lichter des Stadions schickten ihren weißen nebligen Schein empor. Drinnen schoben sie sich an den Ständen vorbei, an denen Wimpel und Bilder und Programme verkauft wurden. Es roch nach Popcorn und gegrilltem Fleisch und Bier. Sofort reagierte Brookes Magen.
»Weißt du, wohin wir gehen müssen?«, fragte sie.
»Ich weiß immer, wohin ich gehen muss«, antwortete Claire, während sie sich einem Gang zuwandte, der abwärts führte.
Das Stadion war taghell erleuchtet und vollgestopft mit Menschen. Über der aus den Lautsprechern dringenden Rockmusik lag das unaufhörliche Summen von Tausenden von Stimmen. Herumlaufende Verkäufer boten von ihren Bauchläden aus Essen und Trinken an.
Erregung. Brooke fühlte direkt die in Wellen kommende elektrische Spannung. Sofort verschwand ihre Gleichgültigkeit und wurde ersetzt durch eine lebhafte Neugier. Die Menschen hier waren besessen, Tausende, zusammengepfercht um ein Spielfeld aus grünem Gras und braunem Schmutz.
Etwas anderes als Hunger rührte sich in ihr.
»Sieh sie dir an, Claire«, murmelte sie. »Ob das hier immer so ein Hexenkessel ist?«
»Die ›Kings‹ führen in der Liga.« Sie sah Brooke mit hochgezogenen Brauen an. »Ich habe dir gesagt, du sollst deine Hausaufgaben machen.«
»Hm-hm.« Brooke war ganz gefangen von den Menschen und der Atmosphäre.
Langsam folgte sie Claire die Treppe hinunter und saugte dabei die neuen Eindrücke in sich auf. Das Riesige, die Geräusche und die Gerüche der im
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