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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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immer so? Mein Onkel bestreitet es. Sechs meiner Freunde und Freundinnen sind allein im letzten Jahr erschossen worden. Zehn sind bei Autounfällen umgekommen. Ich fürchte mich vor ihnen, und sie mögen mich nicht leiden, weil ich mich fürchte. Onkel behauptet, sein Großvater habe sich noch an eine Zeit erinnert, als Kinder einander nicht umbrachten. Aber das ist lange her, damals war überhaupt alles anders. Man glaubte an ein Verantwortungsgefühl, behauptet mein Onkel. Ich habe ein Verantwortungsgefühl, müssen Sie wissen. Man hat mich übers Knie genommen, vor Jahren, als es not tat. Und ich besorge alle Einkäufe und das Reinemachen von Hand.«
    »Aber am liebsten«, fuhr sie fort, »beobachte ich Menschen. Manchmal fahre ich den ganzen Tag mit der U-Bahn und sehe mir die Leute an und höre ihnen zu. Ich möchte gar zu gern wissen, wer sie sind und was sie wollen und wohin sie fahren. Gelegentlich gehe ich sogar auf die Rummelplätze oder mache mit, wenn die Turbinenautos spät nachts am Stadtrand Rennfahrten veranstalten und die Polizei ein Auge zudrückt, solange sie versichert sind. Solange jeder für fünfzigtausend versichert ist, kann ihm keiner. Manchmal drücke ich mich so herum und halte in der U-Bahn die Ohren offen. Oder in den Kaffeestuben, und wissen Sie was?«
    »Was denn?«
    »Die Leute reden über gar nichts.«
    »Über irgend etwas werden sie doch reden.«
    »Nein, über gar nichts. Sie erwähnen meist nur Automarken oder Kleider oder Schwimmbäder und sagen, ›einfach toll!‹ Aber alle sagen dasselbe, niemand fällt je etwas anderes ein. Und in den Kaffeestuben läuft meistens die Witzkiste mit denselben Witzen wie überall, oder die musikalische Wand ist angeknipst mit den Farbenspielen, die darüber hinlaufen, aber eben nur Farben und alles abstrakt. Und in den Museen, sind Sie da jemals gewesen? Alles abstrakt. Etwas anderes gibt es heute nicht mehr. Onkel behauptet, früher sei es nicht so gewesen, da hätten die Bilder manchmal etwas bedeutet oder sogar Leute dargestellt.«
    »Onkel behauptet, Onkel behauptet. Ihr Onkel muß ein bemerkenswerter Mensch sein.«
    »Ist er auch. Bestimmt sogar. Leider muß ich jetzt gehen. Auf Wiedersehen, Herr Montag.«
    »Wiedersehen.«
    »Wiedersehen ...«
     
    Sieben Tage: die Feuerwache.
    »Montag, du bist so flink die Stange hinauf wie ein Specht auf den Baum.«
    Dritter Tag.
    »Montag, wie ich sehe, bist du heute hinten hereingekommen. Macht dir der Hund zu schaffen?«
    »Nein, nein.«
    Vierter Tag.
    »Montag, hast du schon so was gehört. In Seattle hat ein Feuerwehrmann den Mechanischen Hund absichtlich auf seinen eigenen chemischen Komplex eingestellt und losgelassen. Was hältst du von dieser Art von Selbstmord?«
    Fünf, sechs, sieben Tage.
    Und dann blieb Clarisse aus. Er wußte nicht, was es mit dem Nachmittag auf sich hatte, aber es lag daran, daß er sie nirgends sah. Der Rasen war verlassen, die Bäume waren verlassen, die Straße war verlassen, und während er sich zuerst überhaupt nicht bewußt war, daß er sie vermißte oder gar suchte, verhielt es sich doch so, daß sich in ihm, als er bis zur U-Bahn gekommen war, eine leise Unruhe regte. Etwas fehlte, der gewohnte Gang der Dinge war gestört worden. Nur eine unbedeutende Gewohnheit allerdings, und doch ...? Fast wäre er nochmals umgekehrt, um ihr Gelegenheit zu geben, doch noch aufzutauchen. Er war überzeugt, wenn er nochmals denselben Weg ginge, würde sich alles zum Guten wenden. Aber es war schon spät, und die Ankunft seines Zuges verhinderte, daß er etwas unternahm.
     
    Das Mischen von Karten, das Rücken von Stühlen, die eintönige Litanei der sprechenden Uhr von der Decke herab: »... ein Uhr fünfunddreißig Minuten. Donnerstag, den vierten November, ein Uhr sechsunddreißig ... ein Uhr siebenunddreißig ...«, das Hinknallen der Karten auf den schmierigen Tisch, all die Geräusche durchbrachen die Schranke, die Montag mit dem Schließen der Augen vorübergehend errichtet hatte. Sie vermittelten ihm ein Bild der Feuerwache, ganz Gefunkel und Glanz und Stille, ganz messingfarben, münzfarben, Gold und Silber. Die Männer, die er nickt sah, hörte er über ihren Karten stöhnen, während sie warteten. »... ein Uhr fünfundvierzig ...« Die sprechende Uhr verkündete trostlos die kalte Stunde eines kalten Morgens eines noch kälteren Jahres.
    »Was fehlt dir, Montag?«
    Montag schlug die Augen auf.
    Im Rundfunk eine leise Stimme: »... der Kriegsausbruch ist nur noch

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