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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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hinein, schoß leer wieder hervor, wie die Hand eines Zauberkünstlers. Sieh doch her! Unschuldig! Sieh doch!
    Verstört betrachtete er die weiße Hand. Er hielt sie von sich ab, als wäre er weitsichtig. Er hielt sie sich unter die Augen, als könne er nicht gut sehen.
    »Montag!«
    Er fuhr herum.
    »Bleib doch nicht dort stehen, du Schafskopf!«
    Wie Fische, zum Dörren aufgeschüttet, lagen die Bücher da. Die Leute sprangen auf ihnen herum, glitten aus, stürzten hin. Goldene Titel leuchteten im Fallen auf, waren weg.
    »Kerosin!«
    Sie pumpten die kalte Flüssigkeit aus den Behältern, die sie auf den Rücken geschnallt trugen: 451 stand darauf. Jedes einzelne Buch erhielt einen Guß, ganze Zimmer wurden getränkt.
    Dann eilten sie nach unten. Montag taumelte hinterher in den Kerosindämpfen.
    »Weg mit der Frau!«
    Sie kniete inmitten der Bücher, befühlte Leder und Pappe, die sich vollgesogen hatten, las die vergoldeten Titel mit den Fingerspitzen, während sie Montag vorwurfsvoll anblickte.
    »Meine Bücher kriegt ihr nie«, erklärte sie.
    »Sie kennen doch die Gesetze«, entgegnete Beatty, »wo bleibt Ihr gesunder Menschenverstand? Keines dieser Bücher stimmt mit den andern überein. In Ihrem Kopf muß ja seit Jahren eine verfluchte Sprachverwirrung geherrscht haben. Nehmen Sie doch Vernunft an! Die Leute in diesen Schmökern hat es überhaupt nie gegeben. Gehen Sie jetzt mit.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Das ganze Haus fliegt auf«, bedeutete ihr Beatty.
    Die andern stolperten zur Tür, warfen einen Blick zurück zu Montag, der bei der Frau stehengeblieben war.
    »Ihr wollt sie doch nicht hierlassen?« protestierte er.
    »Sie will nicht kommen.«
    »Dann entfernt sie doch mit Gewalt!«
    Beatty hob die Hand, in der er sein Feuerzeug hielt.
    »Wir sollten längst zurück sein. Außerdem drohen diese Fanatiker immer mit Selbstmord, das kennen wir.«
    Montag faßte die Frau am Ellbogen. »Sie können mit mir kommen.«
    »Nein«, sagte sie. »Immerhin, besten Dank.«
    »Ich zähle bis zehn«, erklärte Beatty. »Eins, zwei.«
    »Bitte«, rief Montag.
    »Gehen Sie zu«, sagte die Frau.
    »Drei. Vier.«
    Montag zupfte an der Frau. Sie erwiderte ruhig: »Ich bleibe hier.«
    »Fünf. Sechs.«
    »Sie können sich das Zählen ersparen«, bemerkte die Frau. Sie tat die Finger der einen Hand ein wenig auseinander, und in dieser Hand steckte ein einzelnes schmales Ding.
    Ein gewöhnliches Streichholz.
    Bei dem Anblick stürzten die Leute hinaus und vom Haus weg. Hauptmann Beatty wahrte seine Würde, indem er langsam rückwärts zur Tür hinausging, das gerötete Gesicht verbrannt und funkelnd von tausend Bränden und nächtlichen Erlebnissen. Richtig, dachte Montag, der Alarm kommt ja immer nachts. Nie bei Tage. Geschieht es, weil sich das Feuer bei Nacht hübscher ausnimmt, ein schöneres Schauspiel bietet? Beattys Miene verriet nun doch einen Anflug panischen Schreckens, als er unter der Tür stand. Die Hand mit dem Streichholz zuckte, um die Frau wallten die Kerosindämpfe auf. Montag fühlte das verborgene Buch wie ein Herz gegen seine Rippen pochen.
    »Gehen Sie zu«, sagte die Frau nochmals, und Montag wich unwillkürlich zurück und zur Tür hinaus, hinter Beatty her, die Stufen hinunter, über den Rasen, wo sich die Kerosinspur hinzog wie die Spur einer abscheulichen Schnecke.
    Reglos stand die Frau unter dem Vorbau.
    Beatty schnipste mit den Fingern, um das Kerosin zu entzünden.
    Er kam zu spät. Montag verschlug es den Atem.
    Voll Verachtung streckte die Frau die Hand aus und riß das Streichholz am Geländer an.
    Die ganze Straße entlang kamen die Leute aus den Häusern gerannt.
     
    Auf dem Rückweg zur Feuerwache wurde nicht gesprochen. Keiner sah den andern an. Montag saß mit Beatty und Black auf dem Vordersitz. Sie rauchten nicht einmal ihre Pfeifen, saßen bloß da und schauten vorn zu dem großen Salamander hinaus, der eben eine Kurve nahm. Stillschweigend ging es weiter.
    »Meister Ridley«, sagte Montag schließlich.
    »Wie?« fragte Beatty.
    »Sie hat ›Meister Ridley‹ gesagt. Irgend etwas Sinnloses, als wir hereinkamen. ›Seid ein Mann, Meister Ridley‹, sagte sie, und dann noch was dazu.«
    »›Wir werden heute, so Gott will, in England eine Kerze anzünden, wie sie wohl nie mehr auszulöschen ist‹«, ergänzte Beatty. Verdutzt schaute Stoneman zu ihm herüber; Montag desgleichen.
    Beatty rieb sich das Kinn. »Ein Mann namens Latimer sagte es zu einem andern namens Nicholas Ridley,

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