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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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will dich ins Vertrauen ziehen.«
    Mildred verriet Unruhe.
    Beatty brauchte eine volle Minute, um sich in das hineinzudenken, was er sagen wollte.
    »Wann hat es eigentlich angefangen, möchtest du wissen, mit diesem unserem Beruf, wie ist es dazu gekommen, wo, wann? Nun, ich vermute, es fing an um die Zeit des sogenannten Sezessionskriegs. Im Dienstreglement heißt es zwar, die Gründung sei schon früher erfolgt. Es verhält sich wohl so, daß die Sache erst richtig ins Rollen geriet, als die Fotografie aufkam. Dann der Film zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Rundfunk. Das Fernsehen. Als die Dinge einen Zug ins Massenhafte bekamen.«
    Montag saß im Bett, ohne sich zu rühren.
    »Mit diesem Zug ins Massenhafte wurde alles einfacher«, fuhr Beatty fort. »Einst hatten die Bücher nur zu wenigen gesprochen, die da und dort und überall verstreut waren. Sie konnten es sich leisten, voneinander abzuweichen. Die Welt war geräumig. Aber dann begann es in der Welt von Augen und Ellbogen und Mäulern zu wimmeln. Die Bevölkerung verdoppelte sich, sie verdreifachte und vervierfachte sich. Film und Rundfunk, Zeitschriften und Bücher mußten sich nach dem niedrigsten und gemeinsamen Nenner richten, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Ich glaube.«
    Beatty sah dem Rauchgebilde zu, das er in die Luft gequalmt hatte. »Stell dir das vor. Der Mensch des neunzehnten Jahrhunderts mit seinen Pferden, Hunden, Fuhrwerken, im Zeitlupentempo. Dann im zwanzigsten Jahrhundert wird die Zeit gerafft. Bücher werden gekürzt. Abriß, Überblick, Zusammenfassung, das Beste in Bildern. Alles läuft auf das Überraschungsmoment, den Knalleffekt hinaus.«
    »Knalleffekt.« Mildred nickte.
    »Klassiker werden zu viertelstündigen Hörspielen zusammengestrichen, dann nochmals gekürzt, um in einem Buch eine Spalte von zwei Minuten Lesedauer zu füllen, und enden schließlich als Inhaltsangabe von zehn oder zwölf Zeilen in einem Lexikon. Ich übertreibe natürlich. Die Lexika waren Nachschlagewerke. Es gab aber viele Leute, die ihren Hamlet (dir dem Titel nach sicher bekannt, Montag; Sie, Frau Montag, kennen ihn wohl nur flüchtig vom Hörensagen) – Leute, sage ich, die ihren Hamlet lediglich aus einer einseitigen Zusammenfassung kannten, aus einem Buch, das mit den Worten angepriesen wurde: ›Jetzt können Sie endlich alle Klassiker lesen; lassen Sie sich von Ihren Nachbarn nicht überflügeln!‹ Ist dir das klar? Aus der Kinderstube an die höhere Schule und wieder in die Kinderstube zurück, da hast du die geistige Entwicklung der letzten fünf Jahrhunderte oder so.«
    Mildred stand auf und begann im Zimmer umherzugehen, Dinge anzufassen und sie wieder hinzustellen. Beatty achtete nicht auf sie und fuhr fort:
    »Arbeite mit dem Zeitraffer, Montag, rasch. Quick? Nimm, lies, hör zu! Kick, Tempo, Match, Tip, Du, Sie, Er, Wir, Alle, Eh? Uh? Ruck, zuck, Bim, Bam, Bumm? Zusammenfassungen von Zusammenfassungen, Zusammenfassungen der Zusammenfassungen von Zusammenfassungen. Politik? Eine Spalte, zwei Sätze, eine Schlagzeile! Und dann, mittendrin, ist plötzlich nichts mehr da. Wirble den Geist des Menschen herum im Betrieb der Verleger, Zwischenhändler, Ansager, daß das Teufelsrad alles überflüssige, zeitvergeudende Denken wegschleudert!«
    Mildred strich das Bettzeug glatt. Montag gab es einen Stich, dann noch einen, als sie sein Kissen zurechtklopfte. Eben zupfte sie ihn an der Schulter, damit er wegrücke, damit sie das Kissen nehmen und in Ordnung bringen und wieder hinlegen könne. Um dann vielleicht einen Schrei auszustoßen und die Augen aufzureißen oder auch bloß hinzulangen und zu sagen, ›was ist denn das?‹ und das verborgene Buch mit rührender Unschuld emporzuhalten.
    »Weniger Schule, der Lernzwang gelockert, keine Philosophie mehr, keine Geschichte, keine Sprachen. Der muttersprachliche Unterricht vernachlässigt, schließlich fast ganz aufgehoben. Das Leben drängt, die Berufsarbeit geht vor, an Vergnügungen nachher ist kein Mangel. Wozu etwas lernen, wenn es genügt, auf den Knopf zu drücken, Schalter zu betätigen, Schrauben anzuziehen?«
    »Laß mich das Kissen aufschütteln«, sagte Mildred.
    »Nein«, wehrte Montag leise ab.
    »Der Reißverschluß ersetzt die Knöpfe, und dem Menschen fehlt wieder ein Stück Zeit, um nachzudenken, während er sich ankleidet in der Morgenfrühe, einer nachdenklichen Stunde und somit einer trübseligen.«
    Mildred setzte ihm erneut zu.
    »Geh weg«, bat Montag.
    »Das

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