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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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aufgeworfenen Lippen, der von Abmagerungskuren ausgemergelte Leib, das Fleisch weiß wie Kochspeck. Er konnte sie sich nicht anders vorstellen.
    »Bring mir bitte ein Aspirin und Wasser.«
    »Du mußt aufstehen«, sagte sie. »Es ist Mittag. Du hast fünf Stunden länger geschlafen als sonst.«
    »Stell bitte die Stube ab«, bat er.
    »Das ist doch meine Familie.«
    »Willst du sie nicht einem Kranken zuliebe abstellen?«
    »Ich will sie leiser einstellen.«
    Sie ging hinaus und änderte nichts an der Lautstärke und kam wieder herein. »Ist es so besser?«
    »Danke.«
    »Es ist mein Lieblingsprogramm«, bemerkte sie.
    »Wie ist es mit dem Aspirin?«
    »Du warst bisher noch nie krank.« Sie entfernte sich nochmals.
    »Jetzt bin ich es eben. Ich gehe heute nicht zum Dienst. Ruf Beatty an.«
    »Du warst komisch gestern abend.« Summend kam sie wieder herein.
    »Wo ist das Aspirin?« Er warf einen Blick auf das Glas Wasser, das sie ihm reichte.
    »Ach so.« Sie begab sich wieder ins Badezimmer. »Ist etwas vorgefallen?«
    »Ein Brand, sonst nichts.«
    »Ich hatte einen netten Abend«, sagte sie vom Badezimmer aus.
    »Was war denn?«
    »Das Wohnzimmer.«
    »Was gab's?«
    »Programme.«
    »Was für Programme?«
    »Die besten seit langem.«
    »Wer?«
    »Ach, du weißt doch, der ganze Verein.«
    »Ja, der Verein, der Verein.« Er preßte die Hand gegen die schmerzenden Augen, und plötzlich bewirkte der Geruch von Kerosin, daß er erbrechen mußte.
    Mildred kam summend herein und blieb verblüfft stehen. »Was soll denn das?«
    Angewidert besah er sich die Bescherung auf dem Boden.
    »Wir haben eine alte Frau mitsamt ihren Büchern verbrannt.«
    »Es ist nur gut, daß sich der Teppich waschen läßt.« Sie holte eine Bürste und bearbeitete den Teppich. »Ich war gestern abend bei Helene.«
    »Konntest du die Programme nicht auch in der eigenen Stube bekommen?«
    »Doch, aber man geht gern mal zu Besuch.«
    Sie ging ins Wohnzimmer hinüber. Er hörte sie singen.
    »Mildred?« rief er.
    Sie kam zurück, singend, im Takt mit den Fingern schnippend.
    »Willst du nicht wissen, was gestern nacht war?« fragte er.
    »Was denn?«
    »Wir haben tausend Bücher verbrannt. Wir haben eine Frau verbrannt.«
    »Na und?«
    Die Stube dröhnte vor Lärm.
    »Wir haben Werke von Dante und Swift und Mark Aurel verbrannt.«
    »Was das nicht ein Europäer?«
    »Ja, so was Ähnliches.«
    »War er nicht ein Radikaler?«
    »Gelesen habe ich ihn nie.«
    »Er war ein Radikaler.« Mildred machte sich am Telefon zu schaffen. »Du erwartest doch nicht, daß ich Hauptmann Beatty anrufe?«
    »Du mußt!«
    »Schrei nicht so!«
    »Ich habe nicht geschrien.« Er hatte sich im Bett aufgerichtet, plötzlich zitternd vor Wut. Die Stube vollführte einen Heidenlärm. »Ich kann ihn nicht anrufen. Ich kann ihm nicht sagen, daß ich krank bin.«
    »Warum nicht?«
    Weil ich Angst habe, dachte er. Wie ein Kind, das simuliert und Angst hat, anzurufen, weil nach einem kurzen Hin und Her das Gespräch so ausgehen würde: »Jawohl, Herr Hauptmann, ich fühle mich bereits besser. Ich trete heute abend um zehn Uhr an.«
    »Du bist ja gar nicht krank«, sagte Mildred.
    Montag fiel auf sein Kissen zurück. Er fuhr mit der Hand darunter. Das Buch war noch da.
    »Mildred, wie wäre es, wenn ich mit dem Dienst eine Zeitlang aussetzen würde?«
    »Du willst alles an den Nagel hängen? Nach all den Jahren, bloß weil einmal eine Frau und ihre Bücher ...«
    »Du hättest sie sehen sollen, Millie!«
    »Sie geht mich nichts an, sie hätte keine Bücher haben dürfen. Es war ihre Sache, sie hätte sich das früher überlegen sollen. Ich hasse sie. Sie hat es dir angetan, und ehe wir uns dessen verstehen, stehen wir auf dem Pflaster, kein Haus mehr, keine Arbeit, alles im Eimer.«
    »Du warst nicht dort, du hast es nicht erlebt«, betonte er. »Es muß etwas dran sein an den Büchern, etwas, von dem wir uns keine Vorstellung machen, wenn eine Frau sich deswegen verbrennen läßt; es muß etwas dran sein. Um nichts und wieder nichts tut man das nicht.«
    »Sie war verblödet.«
    »Sie war so gut bei Verstand wie du und ich, vielleicht sogar mehr, und wir haben sie verbrannt.«
    »Überflüssig zu sagen.«
    »Hast du je ein niedergebranntes Haus gesehen? Es schwelt noch tagelang. Diesen Brand werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Herrgott, ich wollte das Feuer löschen, in Gedanken, die ganze Nacht! Ich bin ganz außer mir.«
    »Das hättest du dir überlegen sollen, bevor

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