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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Leben wird zu einem großen Rüpelspiel, Montag; alles krach, bums und juchhe!«
    »He«, sagte Mildred und zerrte am Kissen.
    »Laß mich doch endlich sein!« rief Montag verzweifelt.
    Beatty machte große Augen.
    Mildreds Hand war hinter dem Kissen erstarrt. Sie befingerte den Gegenstand, und als sie erriet, was es war, malte sich Erstaunen auf ihren Zügen, dann Ratlosigkeit. Sie machte den Mund auf, um etwas zu fragen ... »Man räume die Bühne bis auf den Hanswurst, man statte die Lokale mit Glaswänden aus, über die hübsche Farbenspiele hinlaufen wie Konfetti oder Blut oder Sherry. Du bist doch für Schlagball zu haben, Montag?«
    »Schlagball ist ein edler Sport.«
    Beatty war jetzt fast unsichtbar, eine Stimme irgendwo hinter einer Rauchwand.
    »Was ist denn das?« fragte Mildred, beinahe erfreut. Montag warf sich rückwärts gegen ihre Arme. »Was ist denn das hier?«
    »Setz dich hin!« schrie Montag. Sie fuhr zurück, mit leerer Hand. »Du siehst doch, wir sind mitten im Gespräch!«
    Beatty fuhr fort, als sei nichts geschehen. »Du bist doch fürs Kegelschieben zu haben, Montag?«
    »Kegel schieben, gewiß.«
    »Und Golf?«
    »Golf ist auch ein edler Sport.«
    »Korbball?«
    »Ein edler Sport.«
    »Billard, Fußball?«
    »Sehr schön, gewiß.«
    »Mehr Sport für jedermann, Jubel, Trubel und Gemeinschaftsgefühl, und man braucht nicht mehr zu denken, wie? Veranstalte und veranstalte und überveranstalte immer mehr sportliche Großveranstaltungen. Immer mehr Bildergeschichten in Buchform, immer mehr Filme. Der Geist nimmt immer weniger auf. Ratlosigkeit. Landstraßen verstopft mit Menschenmengen, die irgendwohin fahren, irgendwohin und nirgendshin. Der Benzinflüchtling. Ganze Ortschaften werden zu Absteigequartieren, die Leute branden heimatlos von Ort zu Ort, wie von inneren Gezeiten fortgespült, wohnen heute in dem Zimmer, wo du gestern geschlafen hast und ich vorgestern.«
    Mildred ging hinaus und knallte die Tür zu. Die ›Tanten‹ an der Stubenwand begannen über die ›Onkels‹ an der Wand zu lachen.
    »Nehmen wir jetzt die Minderheiten unseres Kulturlebens dran. Je größer die Bevölkerung, um so mehr Minderheiten. Sieh dich vor, daß du den Hundefreunden nicht zu nahe trittst, oder den Katzenfreunden, den Ärzten, Juristen, Kaufleuten, Geschäftsleitern, den Mormonen, Baptisten, Quäkern, den eingebürgerten Chinesen, Schweden, Italienern, Deutschen, Iren, den Bürgern von Texas oder Brooklyn, von Oregon oder Mexiko. Die Gestalten in diesem Buch, diesem Stück, diesem Fernsehfortsetzungsroman sind frei erfunden; jede Ähnlichkeit mit lebenden Malern, Kartographen, Mechanikern ist reiner Zufall. Je größer der Markt, Montag, um so weniger darf man sich auf umstrittene Fragen einlassen, merk dir das! Auch die mindeste Minderheit muß geschont werden. Schriftsteller, voller boshafter Einfälle, schließt eure Schreibmaschinen ab! Und das taten sie denn auch. Die Zeitschriften brachten allerliebsten süßen Kitsch. Bücher, sagten die dünkelhaften Kritiker, seien Spülwasser; kein Wunder, daß sie keinen Absatz mehr fänden. Nur die Bildergeschichten ließ eine Leserschaft, die auf ihrem Geschmack bestand, gnädig am Leben. Und die dreidimensionalen Schönheitsmagazine, versteht sich. Da hast du's, Montag. Es kam nicht von oben, von der Obrigkeit. Es fing nicht mit Verordnungen und Zensur an, nein! Technik, Massenkultur und Minderheitendruck brachten es gottlob ganz von allein fertig. Dem verdanken wir es, wenn unser Dauerglück heute ungetrübt bleibt, wenn wir Bildergeschichten lesen dürfen, Lebensbeichten oder Fachzeitschriften.«
    »Aber wie ist das nun mit der Feuerwehr?« fragte Montag.
    »Ah.« Beatty beugte sich vor. »Was wäre verständlicher und natürlicher? Wo doch die Schulen immer mehr Läufer, Springer, Rennfahrer, Bastler, Fänger, Flieger und Schwimmer ausbildeten statt Prüfer, Beurteiler, Kenner und Schöpfer. Da ist leicht zu begreifen, daß das Wort ›Geist‹ verdientermaßen zu einem Schimpfwort wurde. Das Unvertraute flößt immer ein Grauen ein. Du erinnerst dich doch sicher an einen Mitschüler, der besonders ›hell‹ war und die meisten Antworten gab, während die andern wie Ölgötzen dasaßen und nur darauf warteten, es dem hellen Kopf heimzuzahlen? War er nicht dazu ausersehen, nach der Schule drangsaliert zu werden? Klar, versteht sich. Wir müssen alle gleich sein. Nicht frei und gleich geboren, wie es in der Verfassung heißt, sondern gleich gemacht.

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