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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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und Holz kann man kein Haus bauen. Will man den Bau eines Hauses verhindern, beseitige man die Nägel und das Holz. Will man verhindern, daß es politisch Mißvergnügte gibt, sorge man dafür, daß der Mensch nicht beide Seiten einer Frage kennenlerne, nur die eine. Oder noch besser gar keine. Er soll vergessen, daß es etwas wie Krieg gibt. Ist die Obrigkeit unfähig, aufgebläht und krankhaft steuersüchtig, ist es besser, die Leute machen sich darüber keine Gedanken. Seelenruhe, Montag. Man beschäftige Leute mit Wettbewerben – wer am meisten Schlagertexte kennt oder Hauptstädte aufzählen kann und dergleichen. Man stopfe ihnen den Kopf voll unverbrennbarer Tatsachen, bis sie sich zwar überladen, sich aber doch als ›Fundgrube von Wissen‹ vorkommen. Dann glauben sie, denkende Menschen zu sein und vom Fleck zu kommen, ohne sich im geringsten zu bewegen. Und sie sind glücklich, weil dergleichen Tatsachen keinem Wandel unterworfen sind. Es wäre verfehlt, ihnen so glitschiges Zeug wie Philosophie oder Soziologie zu vermitteln, um Zusammenhänge herzustellen. Das führt nur zu seelischem Elend. Wer eine Fernsehwand auseinandernehmen und wieder zusammensetzen kann – und wer kann es heute nicht? –, der ist glücklicher als wer das Weltall ausmessen und auf eine Formel bringen will, was sich nun einmal nicht tun läßt, ohne daß der Mensch dabei unmenschlich vereinsamt. Ich weiß Bescheid, ich hab's auch versucht, zum Teufel damit. Her mit den Vereinen und Verbänden, den Seiltänzern und Zauberkünstlern, den Turbinenrennwagen und Kradhubschraubern, her mit Liebesspiel und Rauschgift, kurz, mit allem, was automatische Reflexe auslöst. Wenn das Theaterstück schlecht ist, der Film schwach, das Hörspiel nichtssagend, steigere die Lautstärke. Ich bilde mir dann ein, ich hätte was von dem Stück, wo ich doch bloß vom Schall erschüttert bin. Mir ist es einerlei. Ich bin für handfeste Unterhaltung.«
    Beatty stand auf. »Ich muß gehen. Der Vortrag ist zu Ende. Hoffentlich habe ich mich verständlich gemacht. Vergiß vor allem nicht, Montag, wir sind die Glückshüter, du und ich und die andern. Wir stemmen uns gegen die wenigen, die mit ihrem widersprechenden Dichten und Denken den Leuten vor dem Glück stehen. Wir schützen den Deich. Halte durch. Laß es nicht zu, daß die Welt im Tiefsinn und Trübsal überschwemmt wird. Wir sind auf dich angewiesen. Ich glaube, du bist dir gar nicht bewußt, wie wichtig du bist, wie wichtig wir sind, um das Glück der heutigen Welt zu wahren.«
    Beatty schüttelte Montag die schlaffe Hand. Montag saß immer noch da, als sei das Haus am Einstürzen, als dürfe er sich nicht bewegen. Mildred war verschwunden.
    »Noch etwas«, sagte Beatty. »Mindestens einmal sticht jeden Feuerwehrmann der Hafer. Was steht eigentlich in den Büchern drin, fragt er sich. Ach, wer dieser Versuchung nachgeben könnte, wie? Nun, Montag, laß dir gesagt sein, auch ich mußte zu meiner Zeit ein paar dieser Schmöker lesen, um zu wissen, woran ich war, und es steht nichts darin! Nichts, was man annehmen oder weitergeben könnte. Sie handeln von Leuten, die es nie gab, von bloßen Hirngespinsten, sofern sie zur schönen Literatur gehören. Und die Fachliteratur ist noch ärger, da schilt ein Wissenschaftler den andern einen Esel, und jeder sucht den andern niederzuschreien. Alle rennen sie durcheinander, löschen die Sterne aus und verdunkeln die Sonne. Man weiß nachher weder aus noch ein.«
    »Ja, wenn nun also ein Feuerwehrmann zufällig, ganz unwillkürlich ein Buch mit nach Hause nimmt?«
    In Montags Gesicht zuckte es. Die offene Tür schaute ihn mit leerem Blick an.
    »Ein begreifliches Versehen. Bloße Neugier«, erwiderte Beatty. »Das nehmen wir nicht allzu tragisch. Wir lassen dem Mann das Buch für vierundzwanzig Stunden. Hat er es bis dahin nicht verbrannt, kommen wir einfach und verbrennen es an seiner Stelle.«
    »Natürlich.« Montag hatte ein trockenes Gefühl im Mund. »Nun, Montag, übernimmst du heute einen andern, einen späteren Dienst? Sehen wir dich vielleicht heute abend?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Montag.
    »Wie?« Beatty sah leicht befremdet aus.
    Montag schloß die Augen. »Ich trete dann später an. Vielleicht.«
    »Wir würden dich entschieden vermissen«, bemerkte Beatty und steckte nachdenklich seine Pfeife in die Tasche.
    Ich trete überhaupt nie wieder an, dachte Montag.
    »Gute Besserung«, sagte Beatty noch.
    Er wandte sich ab und ging durch die

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