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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Jeder ein Abklatsch des andern, dann sind alle glücklich, dann gibt es nichts Überragendes mehr, vor dem man den Kopf einziehen müßte, nichts, was einen Maßstab abgäbe. Also! Ein Buch im Haus nebenan ist wie ein scharfgeladenes Gewehr. Man vernichte es. Man entlade die Waffe. Man reiße den Geist ab. Wer weiß, wen sich der Belesene als Zielscheibe aussuchen könnte! Mich vielleicht? Ich danke. Und so kam es, nachdem die Häuser überall auf der ganzen Welt feuerfest geworden waren, daß man der Feuerwehr entraten konnte. Sie erhielt eine neue Aufgabe, wurde zum Hüter unserer Seelenruhe, zum Sammelbecken gewissermaßen unserer begreiflichen und berechtigten Angst vor Minderwertigkeitsgefühlen; zur amtlichen Zensur, zur richtenden und ausführenden Gewalt in einem. Das bist du, Montag, und das bin ich.« Die Tür zum Fernsehzimmer ging auf, und Mildred stand da und schaute herein, schaute Beatty an und dann Montag. Die Wohnzimmerwände hinter ihr waren mit grünem und gelbem Feuerwerk übersprüht, das zischte und knallte, begleitet von einer Musik, die fast ausschließlich aus Pauken, Tamtams und anderem Schlagzeug bestand. Mildreds Lippen bewegten sich, aber die Worte gingen in dem Getöse unter.
    Beatty klopfte seine Pfeife in die Handfläche aus und musterte die Asche, als sei sie ein Wahrzeichen, dessen Bedeutung es zu erforschen galt.
    »Du mußt begreifen, bei der Ausdehnung unserer Kulturwelt kann keinerlei Beunruhigung der Minderheiten geduldet werden. Sag selber, was ist unser aller Lebensziel? Die Menschen wollen doch glücklich sein, nicht? Hast du je etwas anderes gehört? Ich will glücklich sein, sagt ein jeder. Und ist er es etwa nicht? Sorgen wir nicht ständig für Unterhaltung und Betrieb? Dazu sind wir doch da, nicht? Zum Vergnügen, für den Sinnenkitzel? Und du wirst zugeben, daß daran in unserer Kulturwelt kein Mangel herrscht.«
    »Nein.«
    Montag konnte es Mildred von den Lippen ablesen, was sie unter der Tür sagte. Er bemühte sich, nicht zu ihr hinzusehen, aus Angst, Beatty könnte sich sonst auch nach ihr umwenden.
    »Farbige nehmen Anstoß an ›Klein Sambo‹. Man verbrenne es. Den Weißen ist ›Onkel Toms Hütte‹ ein Dorn im Auge. Man verbrenne es. Jemand hat ein Buch über Rauchen und Lungenkrebs geschrieben? Den Tabakfritzen laufen die Tränen herunter? Man verbrenne das Buch. Seelenfrieden, Montag. Gemütsruhe, Montag. Nur kein Ärgernis. Lieber in den Eimer damit. Begräbnisse wirken störend? Man schaffe sie ebenfalls ab. Fünf Minuten, nachdem einer gestorben ist, befindet er sich schon unterwegs zur großen Einäscherungsanstalt, mit ihrem Hubschrauberdienst, der sich über das ganze Land erstreckt. Zehn Minuten nach seinem Tod ist ein jeder nur noch ein schwarzes Stäubchen. Wir wollen keine Worte verlieren mit Nachrufen auf einzelne Menschen. Man vergesse sie. Man verbrenne sie, man verbrenne alles. Das Feuer ist hell, das Feuer ist sauber.« Das Farbenspiel im Wohnzimmer hinter Mildred erstarb. Gleichzeitig hatte sie auch zu sprechen aufgehört, ein erstaunlicher Zufall. Montag verhielt den Atem.
    »Nebenan hat ein Mädchen gewohnt«, sagte er bedächtig. »Jetzt ist es weg, gestorben, glaube ich. Ich weiß kaum mehr, wie es aussah. Aber es war anders. Wieso konnte es das geben?«
    Beatty lächelte. »Dergleichen läßt sich nicht vermeiden. Clarisse McClellan? Wir haben alle Unterlagen über die Familie. Stand unter scharfer Beobachtung. Es ist etwas Sonderbares mit Vererbung und Umwelt. Wir können all die Eigenbrötler nicht in ein paar Jahren ausschalten. Die häusliche Umwelt macht oft vieles wieder zunichte, was in der Schule eingetrichtert wird. Deshalb haben wir das kindergartenpflichtige Alter von Jahr zu Jahr herabgesetzt, bis wir die Kinder jetzt fast aus der Wiege an uns reißen. Über die McClellans liefen ein paar Falschmeldungen ein, als sie noch in Chicago wohnten. Es hat sich nie ein Buch bei ihnen gefunden. Mit dem Onkel stimmte auch nicht alles, er galt als Einzelgänge. Das Mädchen? Ein Zeitzünder. Nach seinem Betragen in der Schule zu schließen, müssen die Verhältnisse zu Hause auf das Kind abgefärbt haben. Es wollte nicht wissen, wie etwas gemacht wird, sondern warum. Das kann ungemütlich werden. Frag ständig warum, und du bist am Ende todunglücklich. Es ist gut für das arme Mädel, daß es tot ist.«
    »Ja, tot.«
    »Zum Glück gibt es dergleichen ausgefallene Dinger nicht oft. Wir wissen, wie man das im Keime erstickt. Ohne Nägel

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