Fahrenheit 451
Montag entsicherte den Flammenwerfer.
»Feuer!«
Ein großer Flammenschwall schoß heraus, brandete gegen die Bücher und schwemmte sie gegen die Wand. Montag trat ins Schlafzimmer, drückte zweimal ab, und das Doppelbett zischte in Flammen auf. Er verbrannte die Schlafzimmerwände und das Kosmetikkästchen, weil er alles verwandeln wollte, die Stühle, die Tische, und im Eßzimmer das Silberzeug und Plastikgeschirr, alles, was verriet, daß er hier in diesem Haus gelebt hatte mit einer fremden Frau, die morgen schon nicht mehr an ihn denken würde, die weggegangen war und ihn bereits vergessen hatte, mit der Funkmusik im Ohr, die auf sie eindrang, während sie durch die Stadt fuhr, allein. Und wie früher war es eine Wohltat, niederzubrennen, er war es selber, der mit der Flamme hinausschoß, packte, zerriß und vernichtete, den ganzen sinnlosen Fall beseitigte. Wenn es schon keine Lösung gab, nun, es gab jetzt auch keinen Fall mehr. Das Feuer war noch immer das beste.
»Die Bücher, Montag!«
Wie gebratene Vögel zuckten die Bücher umher, mit rot und gelb lodernden Schwingen.
Und dann gelangte er ins Wohnzimmer, wo die großen gedankenlosen Ungeheuer friedlich schlummerten. Jede der drei Wände erhielt eine Ladung, und das Vakuum verzischte. Die Leere gab ein noch leereres Pfeifen von sich, einen sinnlosen Aufschrei. Er suchte über die Leere nachzudenken, auf der das Nichts sich abgespielt hatte, vermochte es aber nicht. Er hielt nur den Atem an, damit nichts davon in seine Lungen gelange. Dann stellte er diese furchtbare Leere ab, wich zurück und schenkte dem ganzen Zimmer eine riesige gelbe Feuerblume. Überall zerriß der feuersichere Plastiküberzug, und das Haus begann flammend zu erbeben.
»Wenn du fertig bist«, sagte Beatty hinter ihm, »bist du verhaftet.«
Das Haus zerfiel zu glühenden Kohlen und schwarzer Asche. Es legte sich nieder in ein rötlich-graues Bett, und eine Rauchfahne wehte darüber, stieg empor und wogte am Himmel langsam hin und her. Es war halb vier in der Frühe. Die Menschenmenge zog sich zurück in die Häuser; das Zirkuszelt war in verkohlte Überreste zusammengesunken, die Volksbelustigung war aus.
Montag stand da mit dem Flammenwerfer in schlaffen Händen, verschwitzt in den Achselhöhlen, rußverschmiert im Gesicht. Die andern Feuerwehrleute warteten hinter ihm, gerade noch angestrahlt von den schwelenden Trümmern.
Zweimal setzte Montag zum Sprechen an, bis er seine Gedanken schließlich zu sammeln vermochte.
»War es meine Frau, die Anzeige erstattete?«
Beatty nickte. »Aber ihre Freundinnen hatten schon vorher eine Meldung gemacht, die ich noch zurückstellte. So oder so, du warst geliefert. Es war höchst töricht, so unbekümmert Gedichte vorzulesen. Es verriet einen verdammten Dünkel. Gib einem Menschen ein paar Verszeilen, und er glaubt Herr über die ganze Schöpfung zu sein. Du glaubst, du kannst mit deinen Büchern Wunder wirken. Nun, die Welt kommt vortrefflich ohne sie aus. Sieh nur, wie weit du es damit gebracht hast. Bis an die Nase steckst du jetzt im Dreck. Wenn ich auch nur mit dem kleinen Finger darin rühre, gehst du unter.«
Reglos stand Montag da. Ein Erdbeben mit Brandausbruch hatte sein Haus verschlungen, und Mildred lag darunter, und sein ganzes Leben lag darunter, und er stand da und konnte sich nicht rühren. In seinem Innern splitterte und zitterte das Erdbeben noch nach, und seine Knie wankten unter der schweren Last von Müdigkeit und Ratlosigkeit und Ingrimm, so daß er Beattys Schläge hinnahm, ohne eine Hand zu heben.
»Montag, du Schwachkopf, du verdammter Trottel, warum hast du es eigentlich getan?«
Montag hörte es nicht, er war weit weg, er lief in Gedanken davon, war schon nicht mehr da, nur noch dieser tote, rußverschmierte Körper, der da vor einem andern Irrsinnigen hin und her schwankte.
»Montag, bringen Sie sich in Sicherheit!« mahnte Fabers Stimme.
Montag merkte auf.
Plötzlich versetzte ihm Beatty einen Schlag auf den Kopf, daß er zurücktaumelte. Die grüne Kapsel, in der Fabers Stimme wisperte, flog auf den Gehsteig. Beatty hob sie rasch auf, mit breitem Grinsen, und hielt sie halbwegs ans Ohr.
Aus weiter Ferne hörte Montag die Stimme rufen: »Montag, fehlt Ihnen etwas?«
Beatty schaltete die grüne Kapsel aus und schob sie in die Tasche. »Da steckt also noch mehr dahinter, als ich vermutete. Es fiel mir auf, wie du den Kopf schräg hieltst beim Hinhören. Zuerst dachte ich, es sei eine Funkmuschel.
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