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Fahrenheit 451

Fahrenheit 451

Titel: Fahrenheit 451 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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dasein.
    Stolpernd schlurfte er durch das Laub, das ihm bis zu den Knöcheln stand.
    Und mitten in all dem Neuartigen etwas Vertrautes.
    Es gab einen dumpfen Ton, als er mit dem Fuß dagegen stieß.
    Mit der Hand tastete er den Boden ab, ein Meter nach links, ein Meter nach rechts.
    Das Eisenbahngleis.
    Das Gleis, das aus der Stadt kam und durch die Landschaft dahinrostete, durch die jetzt menschenleeren Wälder am Fluß.
    Wohin immer er wollte, dies war sein Pfad. Er brauchte vorläufig noch etwas, womit er vertraut war, einen Zauber, der ihn schützte und ihm Halt verlieh auf seinem Weg durch dorniges Gestrüpp und all das, was es zu riechen und zu empfinden und zu betasten gab, inmitten des Gewispers von fallendem Laub.
    Auf dem Gleis setzte er seinen Weg fort.
    Und war überrascht, wie ihm plötzlich Gewißheit wurde in einer Sache, die sich jedem Beweis entzog.
    Einst, vor langer Zeit, war Clarisse hier gegangen, wo er jetzt ging.
     
    Eine halbe Stunde später, er schritt frierend, aber mit einem neuen Körpergefühl vorsichtig auf dem Gleis dahin, die Augen voller Finsternis, die Ohren voller Geräusche, an den Beinen ein Geprickel von Kletten und Nesseln, da sah er das Feuer vor sich.
    Das Feuer war weg, dann kam es wieder, wie ein Augenzwinkern war es. Er blieb stehen, aus Angst, er könnte es mit einem einzigen Hauch auslöschen. Doch es war da, und er ging behutsam darauf zu, obwohl noch weit davon entfernt. Es dauerte nahezu eine Viertelstunde, bis er ihm wirklich nahekam, und da stand er still, in Deckung, und betrachtete es. Betrachtete das bißchen Bewegung, weiß und rot, und es war ein seltsames Feuer, weil es ihm etwas anderes bedeutete.
    Es brannte nicht, es wärmte!
    Er sah eine Anzahl Hände ausgestreckt an die Wärme, Hände ohne die im Dunkel verborgenen Arme. Über den Händen reglose Gesichter, in die nur das Flackern des Widerscheins etwas Bewegung brachte. Er hatte nicht gewußt, daß Feuer so aussehen konnte. Nie in seinem Leben war ihm der Gedanke gekommen, daß es nicht nur nehmen, sondern auch geben könne. Selbst sein Geruch war anders.
    Wie lange er schon dastand, hätte er nicht zu sagen vermocht; er war sich nur des törichten und doch köstlichen Gefühls bewußt, wie ein Tier aus den Wäldern vom Feuer angelockt worden zu sein. Er war ein Wesen mit Lunte und Lichtern, ein Wesen aus Pelz und Schnauze und Huf, aus Horn und Blut, das nach Herbst riechen würde, wenn man es am Boden verbluten ließe. Lange stand er da und lauschte dem warmen Knistern der Flammen.
    Eine geballte Stille war rund um das Feuer, und die Stille war in den Mienen der Männer, und Zeit war da, Zeit genug, um an diesen verrostenden Gleisen unter den Bäumen zu sitzen und die Welt zu betrachten, von allen Seiten, als würde sie mitten ins Feuer gehalten, ein Stück Stahl, dem diese Männer Gestalt gaben. Es war nicht nur das Feuer, das anders war, es war die Stille. Montag fühlte sich in diese eigenartige Stille hineingezogen, die mit der ganzen Welt zu tun hatte.
    Und dann setzten die Stimmen ein, und es wurde geredet, und wenn er auch nicht verstand, was sie sagten, so hörte er doch das ruhige Auf und Ab der Stimmen, die sich die Welt vornahmen und sie betrachteten; sie kannten das Land und die Bäume und die Stadt am Fluß, aus der die Gleise kamen. Die Stimmen sprachen von allem möglichen, es gab nichts, worüber sie nicht sprechen konnten, er erkannte es schon am Tonfall und an der sich ständig darin regenden Wißbegier und Verwunderung.
    Und dann schaute einer der Männer auf und sah ihn, zum ersten- oder vielleicht auch zum siebentenmal, und eine Stimme rief Montag zu:
    »Du kannst jetzt ruhig herauskommen!«
    Montag trat ins Dunkel zurück.
    »Komm ruhig«, rief die Stimme, »du bist hier willkommen.«
    Langsam ging Montag auf das Feuer und die fünf alten Männer zu, die darum herumsaßen, in dunkelblauem Baumwollzeug. Er wußte nicht, was er zu ihnen sagen sollte.
    »Setz dich hin«, sagte der Mann, der das Oberhaupt zu sein schien. »Willst du Kaffee?«
    Er sah zu, wie das dunkle, dampfende Gebräu in einen zusammenschiebbaren Blechbecher rann, der ihm ohne Umstände gereicht wurde. Zaghaft nippte er daran, während er neugierige Blicke auf sich gerichtet fühlte. Er verbrühte sich die Lippen, aber das tat gut. Es waren bärtige Gesichter, die ihn da umgaben, doch die Bärte waren sauber und ordentlich, und auch die Hände der Männer waren sauber. Sie waren aufgestanden, wie um einen Gast zu

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