Faith (German Edition)
nach Flucht. Bloß weg von hier. Weg von diesem Ort, der ihn entsetzlich ängstigte.
Aber wohin?
Sollte er die Felsstufen hinaufklettern oder lieber unten auf dem schmierigen Boden bleiben?
Als er hinter sich eine Stimme hörte, erkannte Robert schlagartig, warum Richard ihm so eigentümlich bekannt vorgekommen war. Diese Stimme war das Letzte, was er gestern im Schneetreiben vor der Küchentür gehört hatte.
Als er sich umwandte, wuchs aus dem grauen Wirbel hinter ihm die beeindruckende Gestalt des Dunkelalben.
Irland, dort hatte er diese Stimme zum ersten Mal gehört.
Richard hatte die Stimme seines Vaters und dessen intensiven Blick aus schräggestellten Augen. Einzig die violette Farbe und die Kälte, die Leathans Augen ausstrahlten, unterschied sie voneinander.
„So sieht man sich wieder.“
Robert kannte diesen höhnischen Tonfall. Er machte ihm heftige Angst.
Mit Leathan waren Dutzende von grauen Wölfen erschienen, die unruhig um ihren Herrn herum liefen.
Der alte Wolf mit der Narbe stand dicht vor Robert. Es sah fast so aus, als ob er ihn vor dem wogenden Meer aus Tierkörpern um ihn herum abschirmen wollte.
Leathan rief einen lauten Befehl. Jetzt verstand Robert, warum die Stufen so glatt waren und völlig ohne Moos.
Die Wölfe ergossen sich förmlich über Stufen und Brücken. Es schien, als ob die Felsen atmeten. Die Tiere stürzten sich in die Höhlen. Robert hörte, wie sich Hunderte von Krallen in die Felsen schlugen.
Ein Konzert aus Heulen und Knurren vervollständigte die albtraumhafte Szene.
Aus jedem Höhleneingang traten jetzt dunkle Gestalten, umringt von den Wölfen.
Gestalten, deren Gesichtshaut schwarz von Ruß und deren Hände rissig von schwerer Arbeit waren. Alle trugen unförmige, schwere, rußgeschwärzte Schürzen und schauten argwöhnisch schweigend zu Leathan.
Nur noch das Scharren der Füße war zu hören und das leise Grollen aus unzähligen Wolfskehlen, die hinter den Männern warteten, bis Leathan sprach.
„Ihr seid nicht schnell genug, ihr müsst härter arbeiten. Lasst euch von euren Kindern helfen“, setzte er gnadenlos und kalt hinzu. Die Unruhe vor den Höhlen nahm zu, aber es fiel kein Wort.
„Ich brauche mehr Brücken, noch sind längst nicht alle Feenkamine miteinander verbunden. Und die große eiserne Mauer muss endlich begonnen werden.“
Die Artisanen
„So also“, dachte Robert, „nannten die Bewohner dieses grauen Landes hier die steinernen Felsspitzen. ,Feenkamine.‘“
Wer mochten diese Leute sein und woher kamen sie?
Als seien die Gesichter aus grauem Staub geformt, stachen einzig die weißen Augäpfel daraus hervor.
In der kostbaren kurzen Zeit, in der er sich bei Magalie in der Anderswelt aufgehalten hatte, erinnerte er sich, hatte er ähnliche Geschöpfe gesehen. Nur sahen sie weder so bedrückt und traurig aus, noch waren sie so schweigsam und verängstigt wie diese hier.
Hinter dieser Traurigkeit und der Angst verbarg sich noch etwas anderes. Diese Männer strahlten eine nur mühsam unterdrückte Wut aus.
„Die Artisanen“, hatte Magalie ihm erklärt, „sind unsere begabtesten Künstler, sie schmieden jedes Metall zu einmaligen Stücken. Sie entwerfen nicht nur die Objekte selbst, sondern können sie auch selbst bauen. Sie sind also nicht nur Künstler, sondern auch außerordentlich gute Handwerker.
Ob sie Schmuck aus edelsten Metallen wie Gold oder Platin herstellen oder riesige Bauteile aus Eisen, immer sind die Ergebnisse traumhaft schön.“
Robert hätte sich gern öfter in der Schmiede aufgehalten. Er war fasziniert von der Kunstfertigkeit der Artisanen und bewunderte das Geschick, mit dem sie kostbarste Steine und Metalle in phantastische Schmuckstücke verwandelten.
Eisen oder Gold, in ihren Händen erwachte Metall zum Leben und schien zu wachsen, ja sich selbst zu erfinden.
Die seltsamsten Formen nahmen wie von Zauberhand Gestalt an. Kaum berührt, erwuchsen aus den unförmigsten Klumpen, aus scheinbar toter Materie, lebendig scheinende Wunder aus Blüten, Blättern oder Tierkörpern, Motive aus Flora und Fauna, die sich miteinander verbanden, sich zu Geschmeide oder Gebrauchsgegenständen zusammenfanden.
Kein Stück glich dem anderen.
Jedes dieser Kunstwerke war ein Unikat, nur für einen einzigen Besitzer gedacht.
Niemals würde ein Artisan, der seine Aufgabe ernst nahm, ein genau gleiches Kunstwerk noch einmal herstellen.
Den Männern und Frauen der Artisanen stand das Glück, mit einer solchen Begabung
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