Faith (German Edition)
ihn mit Richard unter dem Vordach vor der Küchentür hatte reden sehen.
Sie sah sich um, auch hier hatten Christian und Jamal offenbar schon aufgeräumt. Vor der Glastür waren nur die Spuren von Lisas vergeblichen Bemühungen mit Wolle zu sehen.
Draußen schien der Sturm ein wenig nachzulassen, war weniger laut, aber es kam immer noch reichlich Schnee von oben. Faith ging zur Haustür und versuchte etwas zu erkennen. Sie konnte die Umrisse des alten Geländewagens ihres Vaters nur ahnen.
Also musste er sich irgendwo im Haus aufhalten. In der Küche fand sie all ihre Freunde, aber keine Spur von Robert. Keiner von ihnen hatte ihn im Haus gesehen.
Langsam wurde sie unruhig. Sie nahm zwei Stufen auf einmal, als sie die breite, gewundene Treppe hochjagte. Sie riss alle Türen auf in dem schier endlosen Flur. „Vater?“
Sie sah noch einmal in sein Zimmer.
Aber von ihrem Vater keine Spur.
Faith war verzweifelt. Konnte es sein, dass Robert etwas zugestoßen war?
Sie dachte an das, was er ihr über ihre Herkunft und die Gefahr in der sie schwebte, erzählt hatte. Hatte Leathan ihren Vater gefunden?
Aber warum ihn und nicht sie selbst?
War es möglich, dass er, indem er Robert entführte, auch sie zu sich locken wollte?
Dass er sie beide als Lockvögel benutzen wollte, um Magalie in seinen Besitz zu bringen?
Faith war so verwirrt, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Sie musste mit jemandem reden. Aber wem sollte sie sich anvertrauen? Wenn sie die Geschichte, die Robert ihr erzählt hatte, einem ihrer Freunde erzählte, würde der sie garantiert für verrückt erklären.
Langsam ging sie den Flur entlang. Sie sah plötzlich die abgeblätterte Farbe und dachte daran, dass Robert und sie sich für das neue Jahr vorgenommen hatten, die Wände zu streichen.
Faith hielt sich an dem glatt polierten hölzernen Handlauf der Treppe fest, während sie langsam Stufe für Stufe nach unten ging.
Aus der Küche schallte ihr fröhlicher Lärm entgegen.
Der ausgelassene Lärm verstärkte sich, als sie sich der Küchentür näherte.
Sie riss die Tür auf und alle Köpfe fuhren erschrocken zu ihr herum, die Gespräche verstummten.
„Mein Vater ist weg.“ Faiths Stimme klang gepresst, wie von unterdrücktem Schluchzen.
„Wie, weg?“
Lisa fasste sich als Erste. Sie ging auf Faith zu und legte den Arm um sie.
„Ich habe ihn überall gesucht, ich konnte ihn nirgends finden.“
„Das gibt’s doch nicht, kein Mensch geht bei diesem Wetter nach draußen. Ist sein Auto da?“
Die Frage kam von Adam, der immer schnell und effizient dachte.
„Hast du wirklich überall nachgesehen?“
Faith nickte unglücklich.
„Wir werden alle noch einmal nachsehen, jetzt sofort, danach treffen wir uns wieder hier.“
„Inzwischen sollte jeder von euch darüber nachdenken, wann er Robert zuletzt gesehen hat“, nuschelte Paul mit vollem Mund.
Richard zögerte kurz, als er an Faith vorbeiging, die immer noch in der Küchentür stand.
„Richard.“ Sie hielt ihn am Arm zurück.
„Ich habe meinen Vater zuletzt gestern Nacht, lange nach Mitternacht, gesehen. Er stand mit dir zusammen vor der Küche beim Grill. Du hattest ein Glas Wein in der Hand.“
Faith schwieg und sah Richard fragend an.
Er blickte an ihr vorbei und schien nachzudenken.
Robert ist verschwunden
Richard hatte das Rauschen inmitten des Sturms gehört, den dunklen Wirbel im hellen Schnee gesehen und gehofft, sich geirrt zu haben.
Nachdem er mit dem leeren Glas die Küche wieder betreten hatte, war Robert nicht mehr bei ihm gewesen.
Er musste zugeben, dass er gestern Nacht mehr getrunken hatte, als ihm guttat.
Richard wusste jetzt, dass er das, was draußen im Schnee geschehen war, einfach verdrängt hatte.
Er wollte es nicht wissen, die Angst des Sohnes vor dem gewalttätigen Vater war zu groß.
Er hatte gesehen, wie brutal Leathan alles an sich riss, was er besitzen wollte. Nicht zuletzt er selbst war betroffen von der Gier seines Vaters.
Als seine Mutter Agnes starb, hatte Leathan ihn geraubt und ihn in seiner Welt aufgezogen.
Auf die Gefühle seiner Großmutter hatte er keinerlei Rücksicht genommen.
Sie hatte ihren Enkel nie wieder gesehen.
Sein Vater hatte ihm das alles ein wenig anders geschildert, aber die Schwester Leathans, Annabelle, hatte, boshaft wie sie war, ihm die richtige Version nicht vorenthalten. Nur, dass seine Großmutter noch lebte, hatten beide nicht erwähnt.
Er konnte sich denken, wohin Leathan Robert gebracht
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