Faktotum
schick, du hältst dich für ne heiße Nummer.« »Nein.«
»Doch. Ich seh dirs an. Aber ich mag dich trotzdem. Ich hab dich gleich gemocht.«
»Zieh deinen Rock ein bißchen höher rauf.«
»Ne Schwäche für Beine, wa?«
»Yeah. Zieh deinen Rock ein bißchen höher.«
Sie tat es.
»Oh Mann, und jetzt höher, noch höher!«
»Hör mal, du bist doch hoffentlich nicht ’n abartiger Typ,
oder? Da gibts einen, der macht sich an Mädchen ran, liest sie von der Straße auf und schleppt sie in seine Wohnung ab. Dann zieht er sie aus und schneidet ihnen Kreuzworträtsel in den Bauch, mit nem Brieföffner.«
»Der bin ich nicht.«
»Und dann gibts welche, die ficken dich, und anschließend hacken sie dich in kleine Stücke. Hinterher findet man dann ein Stück von deinem Arsch in Playa Del Rey, in ein Abflußrohr hochgestopft, und deine linke Titte unten in Oceanside in nem Mülleimer …«
»Das hab ich mir schon vor Jahren abgewöhnt. Zieh deinen Rock noch ’n Stück höher.«
Sie zog ihren Rock noch weiter hoch. Es war wie der Anfang eines neuen Lebens, in dem die Sonne sich von ihrer besten Seite zeigte. Ich ging hinüber, setzte mich neben sie auf die Couch und küßte sie. Dann stand ich auf, goß nochmal zwei Drinks ein und stellte das Radio auf KFAC. Sie spielten gerade etwas von Debussy.
»Gefällt dir die Art von Musik?« fragte sie.
Spät am Abend fiel ich irgendwann mitten in der Unterhaltung von der Couch herunter. Ich lag auf dem Fußboden und sah an diesen wundervollen Beinen hoch. »Baby«, sagte ich, »ich bin ein Genie. Nur weiß das keiner außer mir.«
Sie sah auf mich runter. »Steh auf, du Blödmann, und hol mir was zu trinken.«
Ich brachte ihr einen Drink und kroch wieder zu ihr auf die Couch. Ich kam mir überhaupt nicht blöde dabei vor. Später gingen wir dann ins Bett. Das Licht war aus, und ich stieg bei ihr auf. Ich brachte ein oder zwei Stöße, hielt an und fragte: »Wie heißt du eigentlich?«
»Spielt das vielleicht eine Rolle?« sagte sie.
32
Sie hieß Laura. Es war 2 Uhr nachmittags, und wir gingen auf dem Fußweg hinter dem Möbelgeschäft an der Alvarado Street entlang. Ich hatte meinen Koffer dabei. Da hinten stand ein großes weißes Holzhaus, zwei Stockwerke, alt, die Farbe blätterte ab. »Bleib du jetzt von der Tür weg«, sagte sie. »Er hat einen Spiegel über dem ersten Treppenabsatz, darin kann er sehen, wer an der Tür ist.«
Laura stand da und drückte auf die Klingel, während ich rechts neben der Tür in Deckung ging. »Er soll nur mich allein sehen, und wenn er auf den Summer drückt, mach ich die Tür auf, und du gehst hinter mir rein.«
Der Summer ertönte, und Laura drückte die Tür auf. Ich ging hinter ihr hinein und stellte meinen Koffer neben der ersten Treppenstufe ab. Wilbur Oxnard stand am oberen Ende der Treppe, und Laura rannte zu ihm hinauf. Wilbur war ein älteres Semester, er hatte graue Haare und nur noch einen Arm. »Baby, das ist aber eine Freude, dich zu sehn!« Wilbur legte seinen einen Arm um Laura und küßte sie. Als sie sich voneinander lösten, sah er mich.
»Was ist das für ein Kerl?«
»Oh, Willie, ich möchte dir einen Freund von mir vorstellen.« »Tach«, sagte ich.
Wilbur gab mir keine Antwort. »Wilbur Oxnard, Henry Chinaski«, machte uns Laura miteinander bekannt.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Wilbur«, sagte ich. Wilbur gab immer noch keine Antwort. Schließlich sagte er: »Na, dann kommen Sie eben rauf.«
Ich ging hinter Wilbur und Laura durchs Wohnzimmer. Auf dem Fußboden lag überall Kleingeld herum – 5-Cent-, 10-CentStücke, Vierteldollars, halbe Dollars. Eine elektrische Orgel stand mitten im Raum. Ich folgte ihnen in die Küche, wo wir uns in der Frühstücksnische niederließen. Laura machte mich mit den beiden Frauen bekannt, die dort saßen. »Henry, das hier ist Grace, und das ist Jerry. Girls, das ist Henry Chinaski.«
»Hallo«, sagte Grace.
»Wie gehts?« erkundigte sich Jerry.
»Meine Damen, es ist mir ein Vergnügen.«
Sie tranken Whisky und kippten Bier hinterher. Mitten auf
dem Tisch stand eine Schüssel mit schwarzen und grünen Oliven, Pfefferschoten und Artischockenherzen. Ich griff zu und erwischte eine Pfefferschote.
»Bedienen Sie sich«, sagte Wilbur und machte eine Handbewegung zur Whiskyflasche hin. Ein Bier hatte er bereits vor mich hingestellt. Ich goß mir einen Drink ein.
»Was machen Sie?« fragte Wilbur.
»Er ist Schriftsteller«, sagte Laura. »Er hat schon in Zeitschriften
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