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Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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oder sechs Glas Bier, stand auf und ging den letzten Block oder so bis zur Pension. Gertrudes Tür stand offen. Ich ging daran vorbei.
    »Henry …«
    »Hallo.« Ich ging zu ihr hin, sah sie an. »Gertrude, ich geh fort aus der Stadt. Ich hab heute gekündigt.«
»Ach, das tut mir leid.«
»Ihr seid hier alle sehr nett zu mir gewesen.«
»Hören Sie, eh Sie gehen, möchte ich Sie gerne noch mit meinem Freund bekanntmachen.«
»Mit Ihrem Freund?«
»Ja. Er ist grade eingezogen, hier auf der gleichen Etage.«
Ich folgte ihr. Sie klopfte an, und ich sah ihr über die Schulter. Die Tür ging auf: graue Hosen mit weißen Streifen; langärmeliges kariertes Hemd; Schlips. Ein dünner Schnurrbart. Leere Augen. Aus dem einen Nasenloch lief ihm ein dünner, fast unsichtbarer Rotzfaden, der sich am Ende zu einem kleinen glitzernden Tropfen ansammelte. Er hing ihm am Schnurrbart und brauchte noch ein bißchen Nachschub, um abtropfen zu können; bis es soweit war, saß er erst mal da und reflektierte das elektrische Licht.
»Joey«, sagte sie, »ich möchte dir Henry vorstellen.«
Wir gaben uns die Hand. Gertrude ging rein. Die Tür fiel ins Schloß. Ich ging zurück in mein Zimmer und begann zu packen. Packen war immer eine angenehme Beschäftigung.

31
    In Los Angeles fand ich ein billiges Hotel gleich um die Ecke von der Hoover Street und legte mich ins Bett und trank. Ich trank eine ganze Weile, drei oder vier Tage lang. Ich konnte mich nicht dazu bringen, die Stellenanzeigen zu lesen. Die Vorstellung, wieder einmal einem Mann an seinem Schreibtisch gegenüberzusitzen und ihm zu sagen, daß ich einen Job wollte und die nötige Qualifikation dafür mitbrachte, war einfach zuviel für mich. Ehrlich gesagt, ich hatte einen Horror vor dem Leben; vor dem, was ein Mann alles tun mußte, nur um essen und schlafen und sich was zum Anziehen kaufen zu können. Also blieb ich im Bett und trank. Wenn man trank, war die Welt zwar immer noch da draußen, aber wenigstens hatte sie einen im Augenblick nicht an der Kehle.
    Eines Abends stand ich dann mal auf, zog mich an und lief durch die Stadt. Ich landete in der Alvarado Street. Da ging ich lang, bis ich eine ansprechende Kneipe fand. Ich ging rein. Das Lokal war voll. An der Bar war nur noch ein einziger Hocker frei. Ich setzte mich drauf und bestellte mir einen Scotch and Water. Rechts neben mir saß eine Dunkelblonde, sie hatte ein bißchen Fett angesetzt, das Gesicht war leicht aufgedunsen; offensichtlich eine starke Trinkerin. Aber in ihren Gesichtszügen hatte sich noch ein Rest von Schönheit erhalten, und ihr Körper wirkte noch fest und jung und gut in Schuß. Sie hatte lange und ausgesprochen reizende Beine. Als die Lady mit ihrem Drink fertig war, fragte ich sie, ob sie noch einen wollte. Sie sagte ja. Ich bestellte ihr einen.
    »’n Haufen blödes Volk hier drin«, sagte sie.
»Überall«, sagte ich, »aber hier drin besonders.«
    Ich bezahlte drei oder vier weitere Runden. Wir sagten nichts. Dann eröffnete ich der Lady: »Das wars. Ich bin blank.«
    »Im Ernst?«
»Ja.«
»Hast du ne Bleibe?«
»Ein Apartment. Noch zwei oder drei Tage, dann ist die Miete
    fällig.«
»Und du hast kein Geld? Und zu trinken hast du auch nix?« »Nee.«
»Dann komm mal mit.«
Wir verließen zusammen die Bar. Ich stellte fest, daß sie einen
    sehr ansprechenden Hintern hatte. Ich ging mit ihr zum nächsten Spirituosenladen. Sie sagte dem Verkäufer, was sie haben wollte: zwei Halbliterflaschen Grandad, eine Sechserpackung Bier, zwei Schachteln Zigaretten; Chips; Nüsse, gemischt; AlkaSeltzer; eine gute Zigarre. Der Verkäufer rechnete alles zusammen.
    »Schreiben Sie’s bei Wilbur Oxnard auf die Rechnung«, sagte sie. »Augenblick«, sagte er, »da muß ich erst anrufen.« Er wählte eine Nummer und sprach mit jemand. Dann legte er auf. »Geht in Ordnung«, sagte er. Ich half, ihr mit den Einkaufstüten, und wir gingen raus.
    »Wo gehn wir hin mit diesem Zeug?«
»Zu dir. Hast du einen Wagen?«
Ich ging mit ihr zu meinem Wagen, den ich für 35 Dollar bei
    einem Gebrauchtwagenhändler in Compton erstanden hatte. Er hatte kaputte Stoßdämpfer und ein Loch im Kühlwasserbehälter, aber er lief.
    In meinem Apartment verstaute ich das Zeug im Kühlschrank, goß zwei Drinks ein, kam damit heraus, setzte mich hin und zündete meine Zigarre an. Sie setzte sich mir gegenüber auf die Couch und schlug die Beine übereinander. Sie trug grüne Ohrringe. »Schick«, sagte sie.
    »Was?«
»Du findest dich

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