Faktotum
die Treppe hinunter. Abwärts wippte sie nicht so schön mit dem Hintern wie aufwärts. Ich starrte ihr in den Nacken und stellte mir vor, ich würde sie hinters Ohr küssen.
»Ich bin Mrs. Adams«, sagte sie. »Und Ihr Name?« »Henry Chinaski.«
Während sie die Quittung schrieb, hörte ich hinter der Tür
links von uns ein Geräusch, als würde Holz gesägt – nur brach das sägende Geräusch immer wieder ab, und dann hörte man jemand nach Atem ringen. Jeder Atemzug hörte sich an wie der letzte, doch schließlich kam dann unter qualvollen Anstrengungen doch noch ein weiterer zustande.
»Mein Mann ist krank«, sagte Mrs. Adams. Mit einem Lächeln händigte sie mir Quittung und Schlüssel aus. Ihre reizenden haselnußbraunen Augen blitzten. Ich drehte mich um und stieg wieder die Treppe hoch.
Als ich in meinem Zimmer war, fiel mir ein, daß ich noch den Koffer unten hatte. Ich ging runter, um ihn zu holen. Ich kam an der Tür von Mr. Adams vorbei, und das Röcheln hörte sich jetzt lauter an. Ich trug meinen Koffer nach oben, warf ihn aufs Bett, ging wieder die Treppe hinunter und raus in die Nacht. Ein Stück weiter nach Norden stieß ich auf einen Boulevard, ging in ein Lebensmittelgeschäft und kaufte mir ein Glas Erdnußbutter und eine Packung Brot. Ich hatte ein Taschenmesser; damit würde ich die Erdnußbutter aufs Brot streichen und anständig essen können. Zurück in der Pension, blieb ich unten im Flur stehen und hörte mir Mr. Adams an, und ich sagte mir: das ist der Tod. Dann ging ich auf mein Zimmer, machte das Glas Erdnußbutter auf und langte mit den Fingern rein, während mir von unten das Todesröcheln in die Ohren drang. Ich aß gleich mit den Fingern. Es schmeckte hervorragend. Dann riß ich die Brotpackung auf. Das Brot war grün und verschimmelt und roch äußerst sauer. Wie kamen die dazu, solches Brot zu verkaufen? Was war das eigentlich für ne Gegend, dieses Florida? Ich warf das Brot auf den Boden, stieg aus den Kleidern, knipste das Licht aus, zog mir die Bettdecke bis unters Kinn und lag im Dunkeln wach und hörte auf das Röcheln von unten.
54
Am nächsten Morgen war es im Haus sehr still, und ich dachte; na wunderbar, sie haben ihn ins Krankenhaus geschafft oder ins Leichenschauhaus. Vielleicht werde ich jetzt endlich scheißen können. Ich zog mir was an, ging auf die Toilette am Ende des Flurs, und tatsächlich: es klappte. Dann ging ich zurück in mein Zimmer, legte mich wieder ins Bett und schlief weiter. Ich wurde durch ein Klopfen an der Tür geweckt. Ich setzte mich auf und rief »Herein!«, ohne groß nachzudenken. Es war eine Lady ganz in Grün. Die Bluse hatte einen tiefen Ausschnitt, der Rock war sehr eng. Sie sah aus wie ein Filmstar. Sie stand einfach da und sah mich eine ganze Weile an. Ich saß im Bett, in Unterhosen, und hielt mir die Bettdecke unters Kinn. Chinaski, der große Liebhaber. Wenn ich als Mann auch nur ein bißchen was los hätte, dachte ich, dann würde ich sie vergewaltigen, ihre Schlüpfer in Brand stecken, sie dazu zwingen, daß sie mir rund um die Welt folgt. Ich würde ihr Liebesbriefe auf hellrosa Klopapier schreiben, bis ihr die Tränen kommen. Ihre Gesichtszüge waren undefinierbar, ganz im Gegensatz zu ihrem Körper. Man registrierte lediglich, daß ihr Gesicht oval war; ihre Augen schienen den Kontakt mit meinen zu suchen; ihr Haar war ungekämmt und ein bißchen wirr. Sie war Mitte Dreißig. Irgendwas schien sie innerlich zu beschäftigen. »Der Mann von Mrs. Adams ist letzte Nacht gestorben«, sagte sie.
»Ah«, sagte ich. Ich fragte mich, ob sie genauso erleichtert war wie ich, daß das Röcheln jetzt aufgehört hatte.
»Und wir machen eine Sammlung, damit wir Blumen für Mr. Adams’ Beerdigung kaufen können.«
»Tote brauchen keine Blumen mehr. Ich finde, Blumen sind zu was anderem da«, sagte ich einigermaßen lahm.
Sie zögerte. »Wir dachten, es wäre eine nette Geste, und ich sagte mir, Sie würden vielleicht gerne etwas dazugeben.«
»Würde ich auch«, sagte ich, »aber ich bin erst gestern abend in Miami angekommen und bin blank.«
»Blank?«
»Auf Arbeitssuche. Am Abschnappen, wie man so schön sagt. Ich hab meine letzten paar Groschen für ein Glas Erdnußbutter und eine Packung Brot ausgegeben. Das Brot war grün, grüner als die Sachen, die Sie anhaben. Ich hab es da auf dem Boden liegenlassen, und nichtmal die Ratten wollten es haben.«
»Ratten?«
»Ich weiß nicht, was Sie in Ihrem Zimmer haben.«
»Aber als ich
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