Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
gestern abend mit Mrs. Adams sprach und sie nach dem neuen Mieter fragte – wir sind hier alle wie eine große Familie –, da sagte sie, Sie wären Schriftsteller, Sie würden für Zeitschriften wie ›Esquire‹ und ›Atlantic Monthly‹ schreiben.«
»Gott nee, ich kann gar nicht schreiben. Das war nur so hingesagt. Hört sich für die Vermieterin besser an. Was ich brauche, ist ein Job, egal was für einer.«
»Können Sie nicht 25 Cents dazugeben? 25 Cents tun Ihnen doch nicht weh.«
»Honey, die 25 Cents brauche ich dringender als Mr. Adams.«
»Sie sollten die Toten ehren, junger Mann.«
»Warum nicht die Lebenden ehren? Ich bin einsam und verzweifelt, und Sie sehen ganz entzückend aus in Ihrer grünen Kluft.«
Sie drehte sich um, ging den Flur runter, machte die Tür zu ihrem Zimmer auf, ging rein, machte die Tür hinter sich zu, und ich sah sie nie wieder.

55
    Das Arbeitsamt in Miami war ein angenehmer Ort. Es war nicht so überfüllt wie das in Los Angeles – und dort war es immer voll. Jetzt war ich mal an der Reihe mit ein bißchen Glück. Nicht viel, aber ein bißchen. Sicher, ich hatte keinen großen Ehrgeiz, aber es sollte auch für Menschen ohne Ehrgeiz einen Platz geben; ich meine, einen besseren als den, den man ihnen gewöhnlich reserviert. Wie zum Teufel sollte man morgens um halb sieben, wenn der Wecker schrillte, gutgelaunt aus dem Bett springen, sich anziehen, hastig was runterschlingen, scheißen, pissen, sich die Zähne putzen und die Haare kämmen und sich dann durchs Verkehrsgewühl kämpfen, nur um rechtzeitig an einem Arbeitsplatz zu erscheinen, wo man für einen anderen einen Haufen Geld erwirtschaften durfte und dafür auch noch dankbar sein sollte?
    Mein Name wurde aufgerufen. Der Sachbearbeiter hatte meine Karte vor sich liegen, die ich gleich bei meinem Eintreffen ausgefüllt hatte. Ich hatte mir bei der Schilderung meiner bisherigen Tätigkeiten einige kreative Verschönerungen einfallen lassen, wie es sich für einen Profi gehörte: man klammert die niedrigen Tätigkeiten aus und schildert dafür die besseren um so ausführlicher; außerdem unterläßt man es, die Lücken zu erwähnen, die dadurch entstanden, daß man sechs Monate lang dem Alkohol frönte und mit einer Frau zusammenlebte, die gerade dem Irrenhaus oder einer unglücklichen Ehe entronnen war. Natürlich hatte ich immer nur niedrige Tätigkeiten ausgeführt, deshalb ließ ich hier eben die ganz niedrigen weg.
    Der Mann sortierte seinen kleinen Karteikasten durch. Er zog eine Karte heraus. »Ah, hier hätten wir einen Job für Sie.«
»Ja?«
Er schaute auf. »Stadtreinigung.«
»Was?«
»Müllabfuhr.«
»Den Job will ich nicht.«
Ich erschauerte beim Gedanken an diese Berge von Müll; die Katerstimmung, mit der ich jeden Morgen anrücken würde; die Schwarzen, die mich auslachen würden; das unmögliche Gewicht der Mülltonnen. Und da sollte ich nun meine letzten Lebensgeister auskotzen in diese Orangenschalen und Bananenschalen, in diesen Schmant aus Kaffeesatz, nasser Zigarettenasche und verquollenen Monatsbinden.
»Was haben Sie? Ist Ihnen das nicht gut genug? 40-StundenWoche, mit sämtlichen Sicherheiten. Sicherheit fürs ganze Leben.«
»Dann machen Sie doch den Job, und ich mach Ihren.«
Er schwieg. Dann sagte er: »Ich bin für den Job hier ausgebildet.«
»So? Ich bin zwei Jahre aufs College gegangen. Ist das vielleicht die Voraussetzung, die man mitbringen muß, um Müll aufzusammeln?«
»Naja, welche Art von Job würde Ihnen denn zusagen?«
»Flippen Sie einfach weiter ihre Karteikarten durch.«
Er flippte seine Karten durch. Dann schaute er auf.
»Wir haben nichts für Sie.« Er stempelte das kleine Heftchen ab, das sie mir gegeben hatten, und reichte es mir zurück. »Kommen Sie in einer Woche wieder. Vielleicht haben wir dann etwas.«

56
    Ich fand einen Job durch die Zeitung. Ein Textilfabrikant stellte mich ein, aber es war nicht in Miami, es war in Miami Beach, und ich mußte mit meinem Mordskater jeden Morgen die Lagune überqueren. Der Bus fuhr einen sehr schmalen Betondamm entlang, der aus dem Wasser ragte, und es gab kein Geländer, kein gar nichts. Der Busfahrer lehnte sich zurück, und wir brausten auf diesem schmalen Zementstreifen entlang, umgeben von Wasser. Die fünfundzwanzig oder vierzig oder zweiundfünfzig Leute im Bus hatten Vertrauen zu ihm. Ich nicht. Manchmal hatten wir einen neuen Fahrer, und ich dachte: nach welchen Gesichtspunkten teilen sie eigentlich diese Schweinepriester

Weitere Kostenlose Bücher