Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faktotum

Faktotum

Titel: Faktotum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
Vom Netzwerk:
aussah wie ein Eisbär. Jan sah in den Spiegel und machte sich Sorgen wegen ihrer Hängebacken und der Tränensäcke unter ihren Augen. Ich sah nie in einen Spiegel. Jan hob ihr Glas.
    » Der alte Mann da auf unseren Plätzen, der hat Mumm. Ganz schön forsch, der alte Hund. « – » Ich kann ihn nicht leiden. « – » Er hat dich herausgefordert. « – » Was soll man bei so nem alten Mann schon machen. « – » Wenn er jünger wäre, hättest du auch nichts gemacht. «
    Ich checkte die Anzeigetafel. Three-Eyed Pete, mit 9/2 notiert, sah mir so gut aus wie die beiden Favoriten. Wir tranken aus, und ich setzte $ 5 auf Sieg. Als wir zurück auf die Tribüne kamen, saß der alte Mann immer noch da. Jan setzte sich neben ihn. Ihre Schenkel berührten sich. » Was sind Sie von Beruf? « fragte ihn Jan. » Grundstücksmakler. Ich mache 60000 im Jahr – nach Steuern. « – » Warum leisten Sie sich dann keinen reservierten Platz? « fragte ich. » Das ist meine Angelegenheit. « Jan drückte ihren Schenkel an ihn. Sie schenkte ihm ihr bezauberndstes Lächeln. » Wissen Sie « , sagte sie, » daß Sie ganz entzückende blaue Augen haben? « – » Mhm. « – » Wie heißen Sie? « – » Tony Endicott. « – » Ich heiße Jan Meadows. Meine Freunde nennen mich Misty. «
    Sie stellten die Gäule in die Startmaschine, und dann ging das Feld ab. Three-Eyed Pete erwischte sofort die Spitze. Er hielt auf der ganzen Strecke eine Halslänge Vorsprung. Auf den letzten fünfzig Metern nahm der Junge im Sattel die Peitsche und verdrosch ihm den Arsch. In letzter Sekunde streckte sich der zweite Favorit noch ein bißchen. Wieder mußte das Zielfoto entscheiden, und ich wußte, daß ich verloren hatte.
    » Haben Sie eine Zigarette für mich? « fragte Jan. Endicott gab ihr eine. Sie steckte sie zwischen die Lippen, und ihre Schenkel drückten sich aneinander, als sie sich von ihm Feuer geben ließ. Sie sahen sich dabei in die Augen. Ich griff runter und zog ihn am Hemdkragen zu mir hoch. Er machte sich schwer, aber ich behielt ihn an seinem Hemdkragen oben. » Sie sitzen auf meinem Platz. « – » Ja. Und was wollen Sie dagegen tun? « - » Sehen Sie mal zwischen Ihren Füßen runter. Sehn Sie das Loch da unten? Das geht da neun Meter runter. Ich kann Sie da durchstecken. « – » Dazu haben Sie nicht den Mut. « Der zweite Favorit wurde zum Sieger erklärt. Ich hatte verloren. Ich hängte ihm das eine Bein in das Loch. Er wehrte sich. Er war erstaunlich kräftig. Er biß sich an meinem linken Ohr fest und schickte sich an, es abzubeißen. Ich kriegte meine Finger um seinen Hals und drückte zu. Aus seinem Adamsapfel wuchs ein einsames langes weißes Haar. Er schnappte nach Luft. Als er den Mund aufmachte, zog ich mein Ohr raus. Ich kickte ihm das andere Bein ins Loch.
    Für einen Augenblick sah ich im Geiste ein Bild von Zsa Zsa Gabor: sie war unnahbar, gelassen, makellos, trug eine Perlenkette, ihre Brüste quollen aus ihrem tief ausgeschnittenen Kleid – dann öffneten sich die Lippen, die mir nie gehören würden, und sagten › nein ‹ .
    Der alte Mann klammerte sich an eine Holzplanke. Er hing an der Unterseite der Tribüne. Ich zerrte ihm die eine Hand weg. Dann die andere. Er fiel ins Leere. Es war kein glatter Sturz. Er schlug irgendwo auf und flog kurz hoch, höher als man eigentlich erwartet hätte, dann gings wieder abwärts, er schlug noch einmal auf, dann lag er unten und regte sich nicht mehr. Es war kein Blut zu sehen. Die Leute um uns herum verhielten sich sehr still. Sie beugten sich über ihre Rennlisten.
    » Komm, wir gehn « , sagte ich. Jan und ich verließen den Rennplatz durch den Seiteneingang. Es kamen immer noch Leute an. Es war ein milder Nachmittag, warm, aber nicht zu warm, angenehm mild. Wir gingen außen am Zaun entlang, parallel zur Rennstrecke, am Klubhaus vorbei, und als wir am Ostrand durch den Maschendraht sahen, kamen gerade die Pferde aus den Boxen, trabten in einem kleinen Bogen langsam heraus zur Parade vor den Tribünen. Wir gingen zum Parkplatz. Wir stiegen in den Wagen. Wir fuhren los.
    Wir fuhren zurück in die Stadt; zuerst an den Förderpumpen und Öltanks vorbei, dann durch offenes Gelände, vorbei an stillen gemütlichen kleinen Farmen mit zerzausten goldschimmernden Heuhaufen in den Strahlen der untergehenden Sonne, weißgestrichene Scheunen, von denen die Farbe abblätterte, winzige Farmhäuser in der Ferne auf kleinen Erhebungen, lauschig und anheimelnd. Als wir in unserem

Weitere Kostenlose Bücher