Faktotum
Wasser und für jeden von uns einen guten Schuß. Ich bin crazy.«
Jan ging in die Küche, um die Drinks zu mixen, und ich setzte mich hin, schlug die Zeitung auf und las die Rennergebnisse von Los Alamitos. Da stand das Ergebnis des fünften Rennens: Three-Eyed Pete war mit einer Notierung von 9/2 an den Start gegangen und vom zweiten Favoriten um eine Nasenlänge geschlagen worden.
Als mir Jan mein Glas brachte, trank ich es in einem Zug aus. »Du behältst den Wagen«, sagte ich, »und die Hälfte von dem Geld, das ich noch übrig habe, gehört auch dir.«
»Du hast eine andere, stimmts?«
»Nein.«
Ich suchte das ganze Geld zusammen und breitete es auf dem Küchentisch aus. Es waren 312 Dollar und ein bißchen Kleingeld. Ich gab Jan die Wagenschlüssel und 150 Dollar.
»Es ist Mitzi, hab ich recht?«
»Nein.«
»Du liebst mich nicht mehr.«
»Sei so gut und hör auf mit dem Scheiß, ja?«
»Du hast es satt, mich zu ficken, nicht?«
»Hör schon auf. Fahr mich runter zum Greyhound, ja?«
Sie ging ins Bad und begann sich ausgehfertig zu machen. Sie war sauer. »Wir beide haben uns auseinandergelebt. Es ist nicht mehr so wie am Anfang.«
Ich mixte mir noch einen Drink und gab keine Antwort. Jan kam aus dem Badezimmer und sah mich an.
»Hank, bleib bei mir.«
»Nein.«
Sie ging wieder rein und sagte jetzt nichts mehr. Ich holte den Koffer vom Schrank und begann meine paar Sachen einzupakken. Ich legte auch den Wecker dazu. Den brauchte sie nicht.
Jan setzte mich vor dem Greyhound-Busdepot ab. Sie hatte es so eilig, daß sie mir kaum Zeit ließ, meinen Koffer herauszuheben. Ich ging rein und löste meine Fahrkarte. Dann ging ich hinüber und setzte mich zu den anderen wartenden Passagieren auf eine der harten Holzbänke. Wir saßen alle da und sahen einander an, ohne uns wirklich anzusehen. Wir kauten Kaugummi, tranken Kaffee, gingen in die Toiletten, urinierten, schliefen. Wir saßen auf den harten Bänken und rauchten Zigaretten, die wir eigentlich gar nicht rauchen wollten. Wir sahen einander an, und es gefiel uns nicht, was unsere Augen sahen. Wir sahen uns die Auslagen der Verkaufsstände an: Kartoffelchips, Zeitschriften, Erdnüsse, Bestseller, Kaugummi, Pfefferminztabletten, Lakritze, Trillerpfeifen.
53
Miami war Endstation. Weiter konnte ich nicht, ohne im Wasser zu landen. Ich nahm etwas von Henry Mil1er mit und versuchte es während der Fahrt zu lesen. Er war gut, wenn er gut war, und umgekehrt. Ich leerte eine Halbliterflasche. Dann noch eine und noch eine. Die Fahrt dauerte vier Tage und fünf Nächte. Es ereignete sich nicht viel, wenn man einmal absieht von einer jungen Brünetten, mit der ich kurz auf Tuchfühlung ging. Ihre Eltern hatten ihr den Scheck fürs College gestrichen. In einem ganz besonders öden und kalten Teil des Landes stieg sie mitten in der Nacht aus und verschwand. Ich litt schon seit jeher an Schlaflosigkeit; richtig schlafen konnte ich nur, wenn ich total besoffen in einem Bus unterwegs war. Das wollte ich diesmal nicht riskieren. Als wir ankamen, hatte ich seit fünf Tagen weder geschlafen noch geschissen. Ich konnte kaum noch gehen. Es war früh am Abend. Es war ein gutes Gefühl, wieder Straßenpflaster unter den Füßen zu haben.
ZIMMER FREI. Ich ging die Stufen hoch und klingelte. Bei solchen Gelegenheiten stellt man den alten Koffer immer so ab, daß er nicht gleich zu sehen ist, wenn die Tür aufgeht.
»Ich suche ein Zimmer. Wieviel kostet es?«
»$ 6.50 die Woche.«
»Kann ich mirs mal ansehen?«
»Aber sicher.«
Ich ging rein und stieg hinter ihr die Treppe hoch. Sie war
ungefähr 45, aber sie wippte noch ganz schön mit dem Hintern. Ich war schon hinter so vielen Frauen die Treppe hochgestiegen, und jedesmal hatte ich mir gesagt: wenn sich doch nur mal eine nette Lady wie die hier anbieten würde, für mich zu sorgen, mir ein gutes warmes Essen hinzustellen und mir jeden Morgen saubere Socken und Unterhosen rauszulegen – ich würde sofort ja sagen.
Sie machte die Zimmertür auf, und ich sah rein.
»All right«, sagte ich, »sieht ganz gut aus.«
»Haben Sie eine feste Arbeit?«
»Ich bin selbständig.«
»Darf ich fragen, was Sie tun?«
»Ich bin Schriftsteller.«
»Oh, Sie schreiben Bücher?«
»Naja, zu einem Roman hat es noch nicht gereicht. Ich schreibe Artikel, kleinere Sachen für Zeitschriften. Noch nicht besonders gut, aber ich lerne jedesmal was dazu.«
»Na schön. Ich werde Ihnen den Zimmerschlüssel geben und eine Quittung schreiben.«
Ich folgte ihr
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