Falaysia Bd 2 - Trachonien
ihr zu vernehmen, als sie ihre Hände noch weiter ausstreckte, doch sie achtete nicht weiter darauf, legte stattdessen eine Hand auf die Stirn des riesigen Reptils, das sich nicht mehr rührte. Sie schloss die Augen und atmete tief ein… die Nähe des Drachens… seine Energie… seine Empfindungen. Da war Wut… so groß, so wild, aber auch Verzweiflung, tiefer als sie selbst sie jemals gefühlt hatte… und eine schmerzhafte Sehnsucht; Sehnsucht nach der Weite des Horizonts, nach der kühlen Luft des Windes unter den Schwingen, nach dem Geschmack von kristallklarem Wasser, nach der Wärme der Sonnenstrahlen, dem Geruch und der Nähe eines Artgenossen. Begleitet wurde dieses unendliche, unerfüllte Sehnen von der tiefen Trauer darüber, all dies so lange nicht mehr gespürt zu haben und stattdessen die Qualen einer Gefangenschaft erdulden zu müssen, die die Menschen ihm auferlegt hatten.
Jenna bemerkte ihre eigenen Tränen erst, als sie ihre Lider wieder hob, und diese ihre Wangen hinunterrollten. Sie holte bebend Luft und sah dann sich selbst dabei zu, wie sie dem Drachen mit beiden Händen sanft und anteilnehmend über die verhornte Haut strich.
„Nie wieder“, hörte sie sich wie aus weiter Ferne sagen und das Tier holte nun selbst tief Luft und stieß sie wieder aus, dabei einen Laut von sich gebend, der wie ein trauriges Seufzen klang.
Wieder bewegte sich Jenna eher von selbst, als dass ihr Verstand den Befehl dazu gab. Sie hielt sich an einem der Hörner fest und setzte erst einen und dann auch den andern Fuß auf den Bereich über den Nüstern des Drachen.
‚Die Ketten… die Ketten… die Ketten…‘, dröhnte es in ihrem Kopf und der Drache bewegte auf einmal seinen Kopf, führte ihn über seine Schulter bis hin zu seinem Rücken. Jennas Herz klopfte wieder schneller und dennoch fühlte sie keine wirkliche Angst, ließ sich nur von den seltsamen Eingebungen leiten, die auf einmal die Kontrolle über ihren Verstand und ihren Körper übernommen hatten. Sich weiter an einem Horn festhaltend streckte sie sich, streckte sie ihre Hand zu den Ketten aus, die die Flügel des Drachen festhielten. Sie wusste nicht warum, sondern nur, dass es das war, was sie tun musste. Als sie das kühle Metall zu fassen bekam, schoss ein weiterer Energieschwall durch ihren Arm, dieses Mal aus ihm hinaus, in ihre Finger und von da aus in die Ketten. Für einen Augenblick geschah nichts. Doch dann begann das harte Metall unter ihren Fingern zu zerbröseln. Ihre Augen weiteten sich, denn der Zerfall breitete sich aus, ließ die Ketten, die den Drachen festhielten zu Staub zerfallen.
Das Tier schrie wieder. Dieses Mal war es jedoch ein Schrei der unfassbaren Freude, der ihren ganzen Körper durchschüttelte und sie dazu veranlasste, sich fest an die Hörner des Drachen zu klammern. Wenn er jetzt abhob, war sie verloren – sie würde sich mit Sicherheit nicht auf ihm halten können. Aber das Tier tat nichts dergleichen. Nein. Es senkte seinen mächtigen Schädel ganz behutsam hinab zum Boden, sodass Jenna mit etwas weichen Beinen absteigen konnte, selbst immer noch nicht so recht begreifend, was mit ihr los war.
Der Drache schüttelte sich mit einem wohligen Brummen, spannte die riesigen Flügel auf und bewegte sie, zunächst etwas steif, doch dann immer schneller und kräftiger und das riesige Tier erhob sich langsam. Der kräftige Schlag seiner Flügel peitschte Sand und Steine auf, sodass Jenna schützend ihre Arme vor ihr Gesicht halten musste, bis der Drache mit einem weiteren beglückten Schrei hinauf in die unendliche Weite des Himmels flog und rasch in der Dunkelheit des Abends verschwand.
Jenna sah ihm noch eine kleine Weile atemlos nach. Sie konnte selbst kaum fassen, was sie da gerade eben getan hatte. Es war so sonderbar gewesen, so gar nicht… sie. Sie hatte in einen Kampf eingegriffen, einen gefährlichen Drachen gezähmt und befreit. Grundgütiger! Sie befand sich ja immer noch mitten auf einem Schlachtfeld. Sie sah sich um. Niemand kämpfte mehr. Sie hatte mit ihrer Tat die Schlacht völlig zum Erliegen gebracht und alle, die noch anwesend waren – und das waren sehr viel weniger als zuvor – starrten sie an, entgeistert, fassungslos, ja, fast ängstlich. Sie verstand diese Männer – das alles war in gewisser Weise… gruselig. Ihr Blick fiel auf den Stein, der vor ihrer Brust hing. Nun leuchtete er in demselben kräftigen Rot wie Mareks Stein, flimmerte in dem Rhythmus ihres raschen
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