Falaysia Bd 2 - Trachonien
gesünder. Besser ein lebender Feigling als eine tote Heldin.
Ganz davon abgesehen, dass sie Mareks Wut fürchtete, war es nun einmal so, dass sie sich in dieser Welt ganz gewiss nicht allein zurechtfinden würde. Schon gar nicht in der tückischen Landschaft eines Vorgebirges, in dem, aufgrund der überraschend auftauchenden steilen Hängen, die in tiefe Täler führten, allein das Betreten eines Pfades ein Wagnis war. Ein falscher Schritt und sie würde einen jämmerlichen Tod in einer der tiefen Kluften finden – da war sie sich sicher.
Sie setzten ihren Weg jetzt schon seit geraumer Zeit beide zu Fuß fort, weil die Pfade, die sie beschritten, zu steinig und steil und somit zu gefährlich geworden waren, um weiterhin auf dem Pferderücken zu verbleiben. Und es war kalt geworden, richtig kalt. Marek hatte ihr eine fellgefütterte Weste gegeben, und die reichte gerade mal so aus, um sie am Tage zu wärmen. So war sie in der Nacht immer sehr froh, sich an ihr kleines Feuer zu drängen und sich wieder richtig aufzuwärmen – ein Feuer, dass sie allein, so ganz ohne moderne Hilfsmittel wie Feuerzeug oder Streichhölzer ganz bestimmt nicht entfachen würde können.
Ja – Marek besaß derzeit einfach all die Dinge und Eigenschaften, die sie benötigte, um hier zu überleben: Wärmende Kleider, ausreichend Nahrung und eine präzise Orts- und Landschaftskenntnis. Wäre Jenna nicht schon seine Gefangene gewesen und er kein solch gefährlicher Sozialkrüppel, hätte sie sich ihm ganz bestimmt freiwillig angeschlossen, um durch dieses Land geführt zu werden. Außerdem hatte sich seine Laune trotz ihres letzten kleinen Konflikts so erheblich gebessert, dass er zu einem recht angenehmen Weggefährten und Gesprächspartner geworden war – abgesehen von den sexuellen Anspielungen und kleinen Drohungen, die ab und zu fast zwangsläufig in ihre Gespräche einfließen mussten.
Es war erstaunlich, wie viel der Mann von dem Land und seiner Natur zu berichten wusste und welch eine Freude er daran hatte, ihr von den Legenden, die sich um einzelne Orte rankten, zu erzählen. Sie brauchte nur ein klein wenig nachzubohren und schon sprudelte das enorme Wissen des Kriegers aus ihm heraus. Es war manchmal fast so, als hätte er selbst das starke Bedürfnis zu reden, sein Wissen zu teilen, als hätte man ihm das über viel zu lange Zeit verwehrt und endlich war der Bann gebrochen. Aus diesem Grund war Jenna bisher nie langweilig gewesen, weil es immer etwas gab, worüber sie reden konnten, ohne dass sie sich bedrängt oder geängstigt fühlte, und sie war ihm dankbar dafür, dankbar, dass er sie ablenkte, von all den Problemen, die sie beschäftigten – auch wenn er selbst eines davon war.
Leider waren die Gespräche in den letzten Stunden kürzer und seltener geworden. Seit sie höher in das Gebirge hinaufgestiegen waren, fielen seine Antworten auf ihre interessierten Fragen sehr viel knapper aus und ließen immer länger auf sich warten. Irgendetwas schien den Mann zu beschäftigen und ließ seine Gedanken abschweifen, so dass er manchmal einen abwesenden, fast melancholischen Eindruck auf sie machte.
Ihr eigenes Geplapper war bald zu einem endlosen Monolog ausgeartet, bis sie es schließlich aufgegeben hatte, um seine Aufmerksamkeit zu buhlen. Sie hatte nichts gegen Selbstgespräche, die waren ihr in dieser Höhe jedoch zu anstrengend. Und nur daran lag es, dass sie sich wieder mit den Gedanken an eine Flucht herumplagte, die sie nie in die Tat umsetzen konnte und wollte. Wie deprimierend.
Um sich abzulenken, sah sie sich, wie schon viele Male zuvor, ein wenig um und genoss den herrlichen Ausblick. Der Himmel war strahlend blau und die Sonne ließ ihre wärmenden Strahlen in das kleine, wunderschöne Tal tief unter ihnen fallen, ließ den klaren Bergsee in seiner Mitte wie einen glänzenden Silbertaler erscheinen. Warum musste eine so atemberaubend schöne Welt nur so viele Gefahren in sich bergen? Wenn Jenna nur an diese schrecklichen Unaks und Werwölfe dachte, bekam sie schon eine Gänsehaut, ganz zu schweigen von den vielen wilden und mordlustigen Kriegern, die sie bisher gesehen hatte. Dabei war sie erst so kurze Zeit hier und kannte noch längst nicht alles.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Mareks Pferd plötzlich nervös am Zügel zog und stehenblieb. Es hatte den Kopf hoch aufgerichtet und schnaubte erregt, während es etwas am Himmel fixierten. Jenna kniff die Augen ein wenig zusammen und schirmte diese,
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