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Falkengrund Nr. 29

Falkengrund Nr. 29

Titel: Falkengrund Nr. 29 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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die Hölle hinab führte, dann war es jener, den sie sich selbst bereitet hatte. Ein gewundener Schacht nach Gehenna, voll von unnötigen Umwegen. Dort, wo Heulen und Zähneklappern zu Hause war, würde sie ein täglicher Gast werden. Ihr Unglück würde groß genug sein, um sie schon jetzt dort ein und ausgehen zu lassen, auch wenn ihr irdisches Herz noch glaubte, das lächerliche Ticktack der Uhr imitieren und weiterschlagen zu müssen, womöglich noch Jahrzehnte lang, wie eines jener angeblichen Perpetuum mobile, die nur einmal angestoßen werden mussten und sich dann lange Zeit wie von alleine weiter bewegten. Lange Zeit, aber eben nicht ewig.
    Sie war von schmerzenden Wunden übersät, doch sie weigerte sich, sie zu behandeln. Niemand klopfte an ihre Tür, die elektrische Uhr hatte sie ausgesteckt, und es war still wie in einer Gruft.
    Selbst das Wesen, das auf dem linken Bett saß und sie geduldig musterte, gab keinen Laut von sich. Der Blick aus den riesigen Augen wirkte weise und emotionslos. Vielleicht handelte es sich um einen verkleideten Engel, der gekommen war, um sie ins Jenseits zu geleiten.

    ACH JA?
    EIN ENGEL SCHEINT JA NUN ETWAS HOCHGEGRIFFEN. ABER WAS IST DIESES WESEN AUF DEM BETT? ANSTATT ZU RÄTSELN KANN ICH EIN WENIG IM TEXT HINABSCROLLEN, UND SCHON WEISS ICH ES. DAZU MUSS ICH NICHT EINMAL BLÄTTERN.
    VIELLEICHT WEISEN SIE SO ETWAS JETZT NOCH EMPÖRT VON SICH – IHRE MANIEREN VERBIETEN IHNEN EIN SOLCHES TUN. DOCH GLAUBEN SIE MIR, EINES TAGES WERDEN SIE DEGENERIERT GENUG SEIN, UM SOLCHE DINGE ZU TUN. DINGE, DIE BEWEISEN, DASS SIE DES BUCHES NICHT MEHR WERT SIND, DASS SIE GANZ UND GAR EIN … EIN EBOOK-LESER GEWORDEN SIND, WIE ER NIEDERER UND VERABSCHEUENSWÜRDIGER NICHT MEHR VORSTELLBAR IST.
    ABER GUT. GEHEN WIR EINEN SCHRITT WEITER, ERFAHREN WIR RUHIG MEHR. DAZU MÜSSEN WIR DIE ZEIT UM EINIGE STUNDEN ZURÜCKDREHEN, BIS ZU DEM ZEITPUNKT, ZU DEM DER STEIN DES UNGLÜCKS INS ROLLEN KAM.

4
    Es war ein düsteres Weihnachten auf Schloss Falkengrund.
    Nun war die Trostlosigkeit, die das Gebäude nach außen hin abstrahlte, auch in seinem Inneren fühlbar. Die wenigen Menschen, die noch durch das Haus gingen, bewegten sich unwillkürlich schleichend vorwärts, hielten den Blick gesenkt, ließen sich nur zögernd auf Gespräche ein. Niemand schien dem anderen mehr viel zu sagen zu haben. Es war eine Menge geredet worden in den letzten Wochen, zu viel vielleicht – nun regierte das Schweigen.
    Die meisten Studenten waren über Weihnachten zu ihren Familien gereist. Für drei Wochen fand kein Unterricht statt. Auch die Gastprofessoren ließen sich nicht blicken, und selbst Traude Gunkel war überraschend abgereist. Sogar eine Frau wie sie schien irgendwo eine Nische zu haben, wohin sie zurückkehrte, wo sie sich über die Feiertage wohler, geborgener fühlte als in den Mauern von Falkengrund. Niemand hatte es gewagt, sie darüber zu befragen, und von sich aus hatte sie natürlich keine Kommentare abgegeben. In einigen Tagen würde sie zurückkehren, und niemand würde ahnen können, ob sie Heiligabend im Kreise von Familie, Freunden, mit Kindern und Geschenken verbracht hatte, oder ob sie sich in dem staubigen Hinterzimmer einer vergessenen Bibliothek eingeschlossen und unbehelligt in Büchern gestöbert hat, von deren Existenz die Menschheit nichts wusste.
    Werner Hotten war auf dem Schloss geblieben und hatte sich, wie jedes Jahr, Mühe mit der Weihnachtsdekoration gegeben. Trotzdem fehlte es dem Festschmuck dieses Mal an Wärme und gutem Geschmack. Die roten Filzstiefel hingen in ungeschickten Bündeln am Kamin, altes Lametta umhüllte den schiefen, dunklen Christbaum wie das wirre Netz einer Riesenspinne, und die Kerzen auf den Tischen wirkten wie der kühle, förmliche Schmuck einer Trauerfeier.
    Werner sah man öfters an einem der großen Tische in der Halle sitzen, Akten studieren und Berechnungen ausführen. Der verheerende Zustand, in dem sich die Finanzen der Schule befanden, drückte ihn sichtlich nieder und machte aus einem tatendurstigen Mann mittleren Alters einen dahinvegetierenden Greis. Sein Optimismus brütete in ihm wie eine schwärende Wunde, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen und gaukelte ihm vor, ein paar geschickte Berechnungen in diese oder jene Richtung könnten den Karren noch aus dem Dreck ziehen. Er hatte etwas von einer ruhelosen Seele, wie er in diesen Tagen durch die leeren Räumlichkeiten des Schlosses gespensterte.
    Doch schlimmer war es noch, Margarete bei ihren Gängen

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