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Falkengrund Nr. 30

Falkengrund Nr. 30

Titel: Falkengrund Nr. 30 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Abfahrt.
    Vielleicht war es ja dem Koch entkommen. Blake schüttelte sich bei dem Gedanken, diese dunkle Masse auf dem Teller zu haben. Womöglich in Austernsoße.
    Das Ding entwickelte eine erstaunliche Geschwindigkeit, und es hielt auf ihn zu.
    „Ich habe nichts für dich, Spot“, flüsterte er und streckte die leere Hand aus, wie man es bei Hunden tat. Während er mehrmals blinzelte, hatte sich der lebende Klumpen in einem schmalen Streifen Schatten versteckt und war kaum mehr zu sehen.
    Natürlich hatte Blake Owens keine Angst. Ekel und Erstaunen hielt sich die Waage, und er wünschte sich eine Taschenlampe, um das Ding besser im Auge behalten zu können.
    Und dann war es weg. Keine Bewegung mehr, kein Geräusch. Es war einfach verschwunden, als hätte die feuchte Meeresluft es aufgesogen. Wahrscheinlicher war wohl, dass es irgendwo einen Spalt in der Schiffskonstruktion gefunden hatte. Blakes Geist konnte sich nicht von der Vorstellung lösen, dass er es in seinem Bett vorfinden würde, wenn er nach unten ging. Ein Grund mehr, den Rest der Nacht auch noch hier oben zu verbringen.
    Stöhnend machte er es sich erneut auf dem Liegestuhl bequem. Das Meer roch nun penetranter als zuvor. Eine halbe Stunde lang starrte er an den Himmel, dann schlief er trotz Übelkeit ein.
    Und bekam nicht mit, wie eine dunkle, nicht einmal faustgroße Masse unter dem Stuhl hervorkroch. Das Ziel des Klumpens war Blakes Hose, genauer gesagt der Inhalt seiner Tasche …

2
    Old Friends
    Über drei Monate waren im Kalender seit Halloween vergangen, doch für Sir Darren nahm es kein Ende.
    Das Geschehen auf dem kleinen Friedhof bei Bingham haftete in seinem Gedächtnis, als hätte es sich am Vortag erst zugetragen. In der Nacht zu Allerheiligen – Samhain, wie das keltische Wort lautete – war er von seinem Geistführer Gilbert zu Hilfe gerufen worden, auf drastische Weise. Unter unmenschlichen Schmerzen war eine Schrift auf dem Körper des 52-jährigen erschienen, wie ein Stigma. Gilbert und die Geister der anderen auf diesem verwilderten Totenacker begrabenen Menschen waren in Bedrängnis und sandten im wahrsten Sinne des Wortes ein Save-our-Souls.
    Geister in Gefahr!
    Zuerst hatte er es selbst nicht glauben können, doch dann war er dem begegnet, was er für sich Seelenfischer nannte. Eine gewaltige Macht hatte das Tor ins Jenseits aufgestoßen und Seelen aus dem Reich der Toten entführt. Eine Macht, von der Sir Darren nichts zu sehen bekam außer einem flirrenden Netz aus Energie, ein paar huschenden Schatten dahinter und einer unbeschreiblichen Maschinerie aus Chaos. Zusammen mit Corann, einem modernen Druiden, war es ihm gelungen, die Schatten zum Schließen des Tores und zum Rückzug zu bewegen. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, dass diese Wesen eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legten, die nicht ganz zum Ausmaß ihrer Kräfte passte. In einem offenen Kampf hätten Corann und Sir Darren keinen Fuß auf die Erde bekommen. Auch so hatten die Unheimlichen einige Seelen erbeutet, unter ihnen Gilbert.
    Sir Darren, Dozent und Forscher in Sachen Spiritismus, hatte in den letzten Monaten nichts anderes getan als Informationen zu sammeln. Erschüttert und heimgesucht von dem Erlebnis bei Bingham, war er den unterschiedlichsten Spuren nachgegangen. Er hatte den Staub aller größeren Bibliotheken Englands geatmet, hatte wochenlang zum beweglichen Inventar von Cambridge und Oxford gehört und war schließlich ein Opfer des Magneten namens London geworden.
    Es ging um Wesen, die Seelen fingen. Er war sich im Klaren, dass für die Macht, die sie repräsentierten, Hölle nicht der schlechteste Ausdruck war. Was er gesehen hatte, konnten Dämonen gewesen sein, Dämonen im christlichen oder irgendeinem anderen Sinne des Universums. Etwas grundlegend anderes also als die Menschen im Diesseits und Jenseits, mit denen er bislang zu tun gehabt hatte.
    Mittlerweile hatte er mehrere Aktenordner voll Notizen zusammengetragen. Er war auf aufschlussreiche Spuren gestoßen, denn wie es schien, hatten sich in den letzten Jahren ähnliche Phänomene auch an anderen Orten der Welt zugetragen. Die Schilderungen wichen stark voneinander ab, doch das war nur verständlich, wenn man bedachte, wie überwältigend und unfassbar ein solches Erleben sich gestaltete.
    Einen großen Schritt hin zur Aufklärung des Phänomens allerdings hatte er bislang nicht gemacht. Was diese Wesen waren, woher sie kamen, wie und

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