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Falkengrund Nr. 30

Falkengrund Nr. 30

Titel: Falkengrund Nr. 30 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Ich erhielt eine wichtige Auskunft von einem gewissen Dr. Andô aus Japan. Er rief an, um uns mitzuteilen, dass Michaels Vater Hannes hieß und keine Kinder zeugen konnte. Ja, mir ist bewusst, wie widersinnig das klingt. Wenn er keine Kinder gezeugt hat, kann er nicht Michaels Vater sein, oder?“
    „Ich habe ihn umgebracht“, behauptete Michael erneut.
    „Wirklich? Und wann soll das gewesen sein? Vor acht Wochen vielleicht?“
    Michael zuckte die Schultern. Er sah traurig aus, aber nicht sehr. Überhaupt schien er keine tiefen Emotionen zu kennen. Außer Hunger war da nicht viel in ihm. Eine Persönlichkeit konnte man das nicht nennen. Er war nicht einfach nur geistig zurückgeblieben. Ihm fehlte mehr als nur Intelligenz. Ihm fehlte das Wesen. Die Seele.
    „Worauf wollen Sie hinaus?“, fragte Jaqueline ungeduldig.
    „Jemand anderes hat Hannes Löwe umgebracht. Frau Gunkel und Dr. Konzelmann wissen möglicherweise, wer es war. Zumindest aber wissen sie eine Menge mehr über Michael als alle anderen zusammen.“
    „Ich habe mich bisher zurückgehalten“, keifte Traude. Ihr sonst so blasses Gesicht war tiefrot geworden. „Aber das ist der größte Schwachsinn, der mir je zu Ohren gekommen ist. Mit Dr. Konzelmann habe ich sowieso nichts zu schaffen.“
    „Formulieren wir es doch präziser“, warf Fachinger scharf ein. „Mit Dr. Konzelmann wollen Sie nichts zu tun haben. Mehrere Studenten haben mir von Ihrer Antipathie ihm gegenüber berichtet. Sie gehen ihm aus dem Weg.“
    „Eine Frage des persönlichen Geschmacks“, knirschte sie.
    „Oh nein. Nach meiner Theorie muss es einen konkreten Grund geben. Mit anderen Worten: Er weiß etwas, und Sie fürchten sich davor, dass er sein Wissen publik machen könnte. Zu Ihrem Glück redet er nicht viel, aber das könnte sich ja jeden Moment ändern …“
    „Ihre Theorie ist Bockmist“, versetzte die Gunkel.
    Fachinger lachte. „Warum erzählen Sie uns nicht, wo und wann Sie Michael Löwe zum ersten Mal begegnet sind? Was haben Sie zu befürchten?“
    „Gar nichts. Ich bin ihm hier auf Falkengrund zum ersten Mal begegnet. Vor einigen Monaten, als ich mich hier vorstellte.“
    „Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lüge.“
    „Sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit ein aufgeblasener, fettwanstiger Scharlatan.“
    „Äh“, meldete sich Dr. Konzelmann, „ich weiß, dass Sie den Mann … Hannes Löwe … nicht getötet haben. Ich habe damals eine blonde Locke gefunden … neben dem … äh … dem Verbli-… dem Toten … Hannes Löwe … gefunden.“
    Während sich Traude Gunkel weiter aufregte, nahm Werner Margaretes Hand. Er saß neben ihr und flüsterte ihr jetzt etwas ins Ohr. Fachinger sah es, konnte den Wortlaut jedoch nicht verstehen. Margarete nickte leicht. Die rechte Hand hatte sie die ganze Zeit über zu einer Faust geballt – nun entnahm sie ihr etwas Kleines und drückte es zwischen Werners Finger.
    Dieser stand auf. Langsam ging er auf Traude zu, die so sehr in das Streitgespräch mit dem Kripomann versunken war, dass sie nicht auf ihn achtete. In seinen Fingern lag ein winziges Tütchen aus Plastik, das er von Margarete erhalten hatte. Er öffnete den Verschluss, schüttete ein kleines, grünliches Pulver auf seine Handfläche. Dann beugte er sich vor und blies das Pulver Traude ins Gesicht.
    Ein synchroner Aufschrei kam aus mehreren Kehlen. Traude hustete und rieb sich die Augen.
    Margarete, die vier Stühle weiter saß, sprach mit lauter, tiefer Stimme:
    „Ein Tier ist in dir und möchte hinaus.
    Wenn du es nicht lässt, dann frisst es dich auf.
    Gib Acht, ich befehle dir Klarheit.
    Der Name des Tieres ist … Wahrheit.“
    „Wo und wann sind Sie Michael begegnet?“, fragte Werner eilig. „Erzählen Sie es uns!“
    „Ein Zauber?“, wunderte sich Fachinger. „Vor meinen Augen? Das ist mir … eine Ehre!“
    „Er war für Sie bestimmt“, gestand Margarete. „Aber jetzt gibt es eine Wahrheit, die wichtiger für uns ist.“
    Traude Gunkel knetete ihr Gesicht, schüttelte sich. „Nein, ich … da ist kein Tier in mir … Nicht in mir …“
    „Der Name des Tieres ist Wahrheit!“, rief Margarete.
    „Was für ein hübsches Gedicht“, sagte Fachinger. „Das muss ich mir merken.“
    Traude drohte vom Stuhl zu fallen, doch die neben ihr Sitzenden verhinderten das. Ihre Zunge bewegte sich über ihre schmalen Lippen. Die Augen rollten in den Höhlen, und immer mehr Weiß war zu sehen.
    Ein langgezogenes Stöhnen drang aus ihrem

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