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Falkengrund Nr. 30

Falkengrund Nr. 30

Titel: Falkengrund Nr. 30 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Hals. Dann begann sie mit brüchiger, unnatürlicher Stimme zu berichten, was sich damals wirklich zugetragen hatte.

13
    Vergangenheit – die Séance
    Hannes Löwe saß im Pentagramm und rief nach seinem Sohn. Traude hockte direkt hinter ihm, beobachtete ihn genau. Sie hatte noch nicht viele Sitzungen hinter sich, war verkrampft, voller Angst.
    Als die Seele aus dem Jenseits kam, spürte sie sofort, dass etwas anders war als sonst. Bisher war es eine Art Kanal gewesen, der zustande kam, eine Verbindung, durch die man sprechen konnte, beinahe wie ein Telefon. Manchmal waren Gerüche und leichte Lichterscheinungen wahrzunehmen gewesen, Temperaturschwankungen und schwache Windstöße. Diesmal aber trat ein Wesen ohne jede Schwierigkeiten in ihre Mitte, eine Entität ohne körperliche Existenz, aber deswegen nicht weniger präsent. In diesen Sekunden hielt sie das Wesen für einen Dämon, der geradewegs aus der Hölle zu ihnen kam.
    Es schwebte als flirrende Wolke direkt vor ihr, und wenn sie ihre Hände ausgestreckt hätte, hätte sie es berühren können. Der Mann erschrak vor der Erscheinung, etwas fiel ihm aus der Tasche, und einen winzigen Augenblick lang traf das Licht der Kerzen das davonrollende Gefäß so günstig, dass sie den Inhalt genau erkannte: Es war ein Embryo, vermutlich der eines Menschen. Ihr wurde klar, warum der Geist des Toten so machtvoll ins Diesseits zu stürmen vermochte. Der Leib, der sein eigener sein musste, zog ihn förmlich an.
    Hannes rutschte aus, und Traude fürchtete, dass das Wesen ihn töten würde, wenn er länger im gefährlichen Inneren des Pentagramms blieb. Sie konnte gar nicht anders als ihm zu helfen. Sie warf sich nach vorne, um ihn aufzurichten, doch inzwischen hatte er sich selbst aufgerappelt und war aus der Gefahrenzone gerobbt.
    Nun befand sich Traude im Zentrum des fünfzackigen Sterns.
    Sie sah nicht mehr das, was alle anderen sahen: Das urplötzliche unerklärliche Verschwinden des Nebelwesens.
    Sie spürte vielmehr, wie die Seele aus dem Totenreich in ihr Inneres fuhr. Todesangst und eine schreckliche, durch nichts zu beschreibende Verwirrung durchströmten sie, überfluteten alles, was sie einst gewesen war. Das Universum verwandelte sich für einen Moment in ein Gebilde aus Myriaden von verschiedenen, einzelnen Ängsten, die alle an ihr rüttelten. Wie durch ein Wunder blieb ihr Herz dabei nicht stehen, und ihr Hirn nahm keinen Schaden. Und ebenso wundersam war, dass diese ultimative Verwirrung tatsächlich nur Augenblicke dauerte, eine so kurze Zeit, dass die anderen nicht einmal etwas davon bemerkten.
    Dann hatte der fremde Geist in ihrem Körper die Ängste besiegt und Ruhe gefunden. Sie zog sich aus dem Pentagramm zurück, als wäre nichts geschehen. Die Frauen zeigten keinen Argwohn. Alle mussten sie annehmen, Hannes’ Flucht aus dem Pentagramm hätte den Geist, den er rief, wieder in das Schattenreich zurückgestoßen. In Wirklichkeit war er nie dorthin zurückgekehrt. Er hatte den Körper von Traude Gunkel übernommen, einer einsamen, liebenswerten alten Dame, die sich für Spiritismus interessierte, seit ihr geliebter Gatte viel zu früh gestorben war.
    Das Wesen, das Traudes Körper besetzt hatte, machte sich auf die Suche nach Hannes, der den Embryo hatte. Und nach einer Methode, sich den Körper zu verschaffen, der ihm gehörte.

14
    Gegenwart
    „Ja!“, brüllte Traude Gunkel den im Kreis sitzenden Schülern und Dozenten entgegen. „Das Tier heißt Wahrheit, und ich habe es freigelassen. Ich bin nicht Traude Gunkel. Ich bin Michael, die verlorene Seele eines acht Wochen alten ungeborenen Kindes. Ich bin Michael, ich habe meinen Leib aus Erde selbst geschaffen und mir dafür diesen Namen gegeben – ‚der wie Gott ist’. Ich bin Michael, und ich habe die Stelle auf Schloss Falkengrund angetreten, weil ich in der Nähe meines Körpers sein wollte. Ich bin Michael, und eines Tages werde ich einen Weg finden, diese alte, verbrauchte Hülle zu verlassen. Die Wahrheit ist jetzt frei, doch ich bin es noch nicht. Ich bin Michael, und dieses Wesen hier“, die Alte zeigte auf den hageren Studenten, „ist nichts als ein Zombie, ein geistloses Gefäß, ein leerer, hungriger, seelenloser Körper, der schon bald wieder mir gehören wird!“

    ENDE DER EPISODE

    - - - - - - -

Nr. 56 -

Unter Teufeln

1
    Prologue – A Night at Sea
    Es war vernichtet, aber nicht tot.
    Machtlos, aber nicht ohne Orientierung.
    Genügsam, aber nicht ohne Hunger.
    Solange seine

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