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Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Hände auf den Tisch, atmete wieder. „Und jetzt?“
    „Schließen Sie die Augen!“
    Er gehorchte. In der Dunkelheit spürte er sein Herz in der Brust pochen. Er schlotterte vor Furcht. Links neben ihm erhob sich ein leises Rauschen, vergleichbar mit jenem, das er am Telefon gehört hatte. Rauschen und Knacken. Es hatte nicht an der Leitung gelegen. Es kam aus diesem Raum. Ihm war heiß, und sein Herz war nicht das einzige Organ, das sich bemerkbar machte. Ja … es war seltsam: Im Grunde konnte er jeden einzelnen Teil seines Körpers spüren. Seine Adern blähten sich unter dem Blut, das sie in schwachen Wellen durchströmte, spannten sich und schrumpften, knitterten, alterten. In seinem Magen schwappte eine beißende, ätzende Brühe. Sie brannte Löcher in den Muskelsack, die sein Körper rasch wieder reparierte. Mit Schleim, zähem, ekelhaftem Schleim. Er fühlte, was seine Nieren und seine Leber taten, er spürte, wie Urin in seine Blase sickerte und sie füllte. Sein Darm war ein meterlanger Parasit, der mit winzigen Ärmchen im Kot rührte und mit winzigen Mündern daran saugte.
    „Uagh!“ Werner würgte und glaubte, sich übergeben zu müssen. Er riss die Augen auf und sah nichts als die Kerze und dahinter das schmale Gesicht Sir Darrens. Der dritte Stuhl war definitiv leer. Doch sobald er die Lider wieder schloss, fühlte sich der Stuhl nicht mehr leer an. Dort saß jemand. Er spürte die Person, hörte sie und roch sie, solange sein Sehsinn die anderen Sinne nicht überdeckte.
    „Beruhigen Sie sich“, sagte Sir Darren leise. „Sie sind nicht in Gefahr.“
    Nach fünf oder sechs Minuten hatte er sich an die neuen Empfindungen gewöhnt, und obwohl sie eher stärker als schwächer wurden, machten sie ihm nichts mehr aus. „Mein Name ist Werner Hotten“, flüsterte er mit feierlichem Ernst. „Ich spüre Sie. Wer sind Sie?“
    Das Rauschen wurde lauter, und im Rauschen – ein Name. Er klang wie … Carina oder …
    „Khaatharihnahhh.“
    Katharina.
    Katharina von Adlerbrunn. Die zweite Frau des Barons. Und eines seiner Opfer. Die zweite Seele, das leichte Flackern der äußeren Kerze vor dem Schloss. Die Seele, die Lorenz von Adlerbrunn den Zugang zum Jenseits verwehrte.
    So oft Werner auch versuchte, sie mit den Augen zu sehen, es gelang ihm nicht. Angesehen von diesem winzigen Moment, als das Zündholz verlöscht war, blieb ihm ihre Gestalt verborgen. Er hätte so gerne gewusst, ob sie hübsch war. Ob ihr Gesicht von Hass zerfressen war. Oder ob ihre Augen traurig blickten.
    Wie hatte Sir Darren das nur geschafft? Vermutlich war niemand außer Edeltraud Zeiss jemals Katharinas Geist begegnet, und er brachte diesen Geist dazu, sich in einer Wohnung, die er auf die Schnelle gemietet hatte, zu manifestieren. Immerhin – er hatte vier Wochen dazu gebraucht.
    Werner wusste nicht, was er sagen oder tun sollte. Er empfand die Seele wie eine Gottheit, wie ein gigantisches, unendlich tiefes, bedeutsames und mächtiges Phänomen. Wenn sie ihm einen Befehl erteilt hätte, er hätte ihn ausgeführt, ganz gleich, welchen. Er verstand jetzt, wie sich die Falter in Raupen zurückverwandelt hatten, wie Dr. Schlichters Gesicht seine Form verändert hatte, wie die Haarwurzeln seines Bartes sich einfach aus den tieferen Schichten seiner Haut gelöst hatte. Und er verstand natürlich, wie der Beagle der Order gefolgt war, seinen Herrn zu zerfleischen. Eine Seele ohne Körper war wie ein Stück Uran ohne Bleimantel, der Kern aller Existenz, unendlich mächtig und wunderbar.
    „Wir haben einen Plan“, sagte Sir Darren.
    „Wir?“
    „Frau von Adlerbrunn und ich. Wir sitzen hier seit Tagen zusammen und besprechen ihn. Allmählich nimmt der Plan Gestalt an. Und eigentlich stammt die Idee von Ihnen.“
    „Von mir?“ Er kam sich dumm vor, wie er immer nur einzelne Worte wiederholte und ihnen einen fragenden Klang gab. Mehr brachte er nicht zustande.
    „Sie hatten doch den Gedanken, Schloss Falkengrund von dem Spuk zu befreien und eine Schule des Okkulten dort einzurichten …“
    „Jaahhh …“ Eine weibliche Stimme in einem Rauschen. Katharina. Eine hundert Jahre alte Seele sprach zu ihm. Es war schlimmer und unwirklicher als in einer Fremdsprache zu telefonieren.
    „Sie werden uns helfen“, stellte Sir Darren fest. „Auf dem Schloss.“
    „Was?“, begehrte Werner auf. „Das ist … ich weiß nicht …“
    „Heeeelfen“, wogte die Stimme.
    „Okay. Gut.“ Werner schluckte. „Was muss ich

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